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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2019/0109
„Das katholische Milieu sympathisierte also nicht, wie ihm gern unterstellt wurde,114 mit dem
Nationalsozialismus, sondern widerstand ihm besser als andere Segmente der Gesellschaft."115
Angesichts des nationalsozialistischen Machtanspruchs, der sämtliche Bereiche der Gesellschaft
und damit auch den Bereich des Privaten mit erfasste und keine Trennung mehr duldete, kann
bereits der Wille zum Bewahren der eigenen Identität als Widerstand gelten.116 Die Bewahrung
der eigenen Identität und Lebensform bedeutete per se ein Infrage-Stellen des totalitären Anspruchs
des Nationalsozialismus. Allein die aktive Teilnahme am kirchlichen Leben hieß, dass
der Betreffende noch andere Werte und Normen anerkannte als die des Nationalsozialismus.117
Teilnahme am kirchlichen Leben wurde so zum Ausdruck von Nonkonformismus.

Auch die Deutsche Bischofskonferenz hat der christlichen Zeugen während der NS-Zeit in
einem „Martyrologium Germanicum" gedacht.118 Der Gedanke, ein „Martyrologium" des 20.
Jahrhunderts zu erstellen, geht dabei auf Papst Johannes Paul II. zurück:119 „Die Märtyrer waren
für ihn die gleichsam ,unbekannten Soldaten' der großen Sache Gottes." Die Bestimmung des
Martyriums unterliegt drei kanonistischen und theologischen Kriterien, die kumulativ vorliegen
müssen. Dies sind der gewaltsame Tod, das Motiv des Glaubens- und Kirchenhasses auf Seiten
der Verfolger und die bewusste innere Annahme des Willens Gottes trotz eigener Lebensbedrohung
. Das „Martyrologium" widmet Kuenzer eine mehrseitige Beschreibung.120

Die Kategorie der NS-Märtyrer umfasst Geistliche und Laien aller Altersstufen, der jüngste
wurde 17 Jahre alt! Viele von ihnen gehörten der intellektuellen Oberschicht an oder waren
jüdischer Herkunft. Die wirkliche Zahl ist sicher um ein Vielfaches höher.

Grund für die Verhaftung von Geistlichen und Laien war im Wesentlichen „ihre aus dem
christlichen Glauben motivierte antinationalsozialistische Einstellung."121 Eine Einstellung,
die natürlich nicht im Verborgenen blieb, sondern in Erscheinung trat. Bei den Priestern allein
schon durch die Feier des Gottesdienstes oder durch Predigten. Berühmtestes Beispiel dafür
ist der Münsteraner Bischof Clemens August Graf von Galen,122 aber etwa auch der Freiburger
Erzbischof Konrad Gröber ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Verhaftung durch die
Gestapo war die sichere Folge auch für den, der dabei entdeckt wurde, dass er Juden materielle
und seelische Unterstützung oder Unterschlupf gewährte oder Visa besorgte. Auch wer es
wagte, ausländische Sender zu hören, konnte in die Mühlen der NS-Justiz geraten.123 „Wir sind
überrascht", schreibt der verstorbene Joachim Kardinal Meisner in seinem Vorwort des „Mar-
tyrologiums", „wie viele Christen gerade in Deutschland mit den gottlosen Systemen des Nationalsozialismus
und Kommunismus aus ihrer Treue zum Evangelium heraus in Konflikt geraten

114 So etwa von Carl Amery: Die Kapitulation oder deutscher Katholizismus heute, Hamburg 1963, S. 32.

115 Hürten (wie Anm. 82), S. 83.

116 Ebd., S. 79.

117 Ebd., S. 83.

118 Moll (wie Anm. 107), S. XXXVII.

119 Apostolisches Schreiben „Tertio millenio adveniente" vom 10.11.1994.

120 Moll (wie Anm. 107), S. 299ff.

121 Ebd., S. XLL

122 Bischof Clemens August Graf von Galen, der für sich selbst das mögliche Märtyrer-Schicksal ins Auge
fasste, nennt die Kirche insbesondere seiner Zeit „Kirche der Märtyrer"; vgl. Max Bierbaum: Nicht Lob,
nicht Furcht. Das Leben des Kardinals Galen nach unveröffentlichten Briefen und Dokumenten, Münster
1966, S. 225f.; vgl. auch Entwurf einer Denkschrift Galens an Hitler vom Mai 1935 in: Akten deutscher
Bischöfe über die Lage der Kirche 1933-1945, Bd. II, bearb. von Bernhard Stasiewski, S. 438.

123 Zeugnis des Vaters der Verfasserin, der als ein wenig rebellierender Jugendlicher in einer (nicht gravierenden
) Auseinandersetzung mit seiner Großmutter sich anhören musste: Und dass Du immer Feindsender
hörst, werde ich auch noch anzeigen.

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