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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2019/0126
Ein Glücksritter verspekuliert sich: Sechs 50 Pfennig-Scheine für 8 Mark

Der Seriennotgeldboom erfasste nicht nur die Stadtverwaltungen landesweit, sondern rief
zwangsläufig auch Spekulanten auf den Plan. Es erschienen etliche unautorisierte Ausgaben, ja
es tauchten sogar Scheine von nicht existenten Städten auf.20 Auf der anderen Seite häuften sich
Klagen der Sammler gegen unlautere Geschäftspraktiken mancher Gemeinden und Händler.
Für Staat und Reichsbank wurde das Seriennotgeld immer mehr zum Problem.

Just zu diesem Zeitpunkt trat ein Unternehmer an die Stadt Freiburg heran. Alexander
Schnell, Inhaber der Firma Trans-Oceanic, die sich auch mit Versicherungspolicen und Schiffspassagen
befasste, unterbreitete der Stadtverwaltung ein verlockendes Angebot: Gedacht sind 6
verschiedene Scheine ä 50 Pf. auf Bütten mit Ansichten der Stadt, von besten hiesigen Künstlern
entworfen. Trans-Oceanic übernimmt sämtliche Kosten, Druck, Reklame etc. und ist bereit, von
jeder Serie 2 Mark an die Stadt abzuführen. Am 28. September 1921 wurde zwischen der Stadt
Freiburg und der Firma Trans-Oceanic ein entsprechender Vertrag über Herstellung und Vertrieb
einer neuen Notgeld-Serie in einer Auflage von 1 Million Sätzen in 6 Serien geschlossen:
Von den Scheinen gibt die Stadtverwaltung zunächst 1.000 Sätze in öffentlichen Verkehr. Bezüglich
aller anderen Scheine erhält die Firma Trans-Oceanic das Alleinvertriebsrecht, wofür die
Firma neben dem Nennwert einer der Stadtkasse verbleibende Entschädigung von 2 Mark pro
Satz ä 6 Scheine zum Voraus an die Stadtkasse zu zahlen hat. Und weiter: Die Stadt ist verpflichtet
, die ausgegebenen Scheine bis 1 Monat nach erfolgtem Aufruf zum Nennwert einzulösen. [...]
Sollten nach erlassenem Aufruf ausgegebene Scheine nicht zur Einlösung gelangen, so gehört
der sich hierdurch ergebende Gewinn voll und ganz der Stadtkasse.

Was mochte diesen Unternehmer bewogen haben, den für ihn mit so vielen Risiken und
Vorleistungen verbundenen, für die Stadt hingegen sehr vorteilhaften Vertrag einzugehen? Es
kann nichts anderes als das Exklusivrecht zum Alleinvertrieb der Scheine gewesen sein. Dass
es auf dem Höhepunkt der Sammelwut eine neue edel daherkommende Serie aus Freiburg geben
sollte, welche die Stadt in den schönsten Ansichten zeigte (Münsterturm, Martins- und
Schwabentor, Stadttheater, alte und neue Universität; Abb. 5a-f) - musste das nicht jeden Notgeldfreund
reizen? Doch Schnells Spekulation auf das ganz große Geschäft sollte gründlich
daneben gehen.

Am 3. Januar 1922 folgte Schnells Offenbarungseid. Er sei zu der Überzeugung gekommen,
dass wir die Serie Freiburg momentan, da wir Mk. 5 an die Stadtkasse abzuführen haben, nicht
unter Mk. 8 verkaufen können. Mit dem Verweis auf die zurzeit besonders hohen Portosätze bat
Schnell um Ermäßigung auf 3 Mark, sodass man dann 6 Mk. verlangen könnte oder 5,75 Mk.
Auf dieses Ersuchen entgegen den Abmachungen im Vertrag wollte die Stadt zu diesem Zeitpunkt
nicht eingehen.

Inzwischen waren auch einige Kunden ob der Geschäftspraktiken der Firma Trans-Oceanic
verärgert. Die Zeitung „Die Volkswacht" veröffentlichte am 12. Januar 1922 unter der Überschrift
„Das neue Notgeld der Stadt Freiburg" den Erfahrungsbericht eines Sammlers: Auf dem
Rathaus erhielt ich die Auskunft, dass der Stadtrat das ganze Notgeld einer Gesellschaft zum
Weitervertrieb verkauft habe. Ich bemühte mich also dorthin, um sechs Notgeldscheine zu erstehen
. Diese sechs Scheine kosteten allerdings nicht 3 Mk., sondern 8 Mk. Das verstehe wer will.
Die Stadt lässt Notgeld herstellen, bezahlt den Drucker und den Entwurf, um die Kleingeldnot
zu beheben, verkauft aber die gesamte Auflage wieder und jagt dadurch einem Unternehmer
einen ungebührlichen Gewinn in die Tasche.

Dazu gehörten die aus vier Scheinen bestehende Serie der Gemeinde Herzlake im Emsland oder der
Schein einer nicht existenten Stadt Neukirch, vgl. Klever (wie Anm. 6), S. 22.

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