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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2019/0162
Wiesloch, weil er neben verschiedenen anderen Straftaten unter Alkoholeinfluss einen Menschen
getötet hatte. Aufgrund der Gutachten von Prof. Alfred Hoche (1865-1943) aus Freiburg,
der 1920 in einer Aufsehen erregenden Publikation für die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten
Lebens eingetreten war,48 und von Prof. Karl Wilmanns (1873-1945) aus Heidelberg49
war er für unzurechnungsfähig erklärt und gemäß § 5 des badischen Irrenfürsorgegesetzes in
die Anstalt eingewiesen worden. Der Wieslocher Direktor, Dr. Wilhelm Möckel, hatte ihn dagegen
für zurechnungsfähig gehalten und dies - ganz im Sinne der „Rassenhygiene" - damit
begründet, dass das Tatverhalten von Albert Sch. dem Milieu entsprochen habe, aus dem er
stamme.50 Damit hatte er sich aber nicht durchsetzen können. Scheffel galt in Wiesloch zwar
als nicht einfach und impulsiv, doch auch als ausgezeichneter Korbmacher, dessen Zustand sich
zunehmend bessere.51 Er sollte nach Kriegsende entlassen werden. Mitte Mai 1942 kam dann
die Kommission der Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten, die auch nach dem
offiziellen Abbruch der „Euthanasie"-Maßnahmen im August 1941 die Fortsetzung der Tötungen
lebensunwerten Lebens koordinierte, nach Wiesloch. Dabei war der medizinische Leiter der
„Euthanasiezentrale", Prof. Dr. Paul Hermann Nitsche (1876-1948), ein führender „Rassenhy-
gieniker" und NSDAP-Mitglied seit 1933.52 Nach diesem Besuch forderte er Befundberichte an,
ausdrücklich auch von Albert Scheffel.

Der gerade erst nach Wiesloch versetzte Gustav Ehrismann, der in Emmendingen - wie er
ausgeführt hatte - schlechte Erfahrungen mit der Kommission gemacht hatte, musste die Anfrage
beantworten. Er hob Scheffels Arbeitsleistungen hervor und bezeichnete ihn als geordnet und

fähige oder Gemeinschaftsschädlinge verfolgt. Vgl. Andrew D'Arcangelis: Die Jenischen - verfolgt im
NS-Staat 1934-1944. Eine sozio-linguistische und historische Studie (Schriftenreihe Studien zur Zeit-
geschichte 55), Hamburg 2006; Jakob Kronenwetter: Das Reisen im Blut. Uber 100 Jahre Fichtenauer
fahrende Leut', Stödtlen-Niederroden 2005; Opfermann (wie Anm. 2), passim. Siehe auch die ständige
Ausstellung zu den Jenischen im Hohenloher Freilandmuseum Schwäbisch Hall-Wackershofen „Auf der
Reis' - Die ,unbekannte' Minderheit der Jenischen im Südwesten".

Siehe Anm. 36.

Wilmanns leitete damals die Psychiatrische Universitätsklinik Heidelberg. 1933 wurde er wegen res-

pektloser Äußerungen über Hitler und Göring aus dem Staatsdienst entlassen. Wissenschaftlich hatte er
sich mit Psychosen von „Landstreichern", Haftpsychosen und Schizophrenie auseinandergesetzt. Vgl.
Wikipedia-Artikel „Karl Wilmanns" (Stand: 11.01.2019).

Janzowski (wie Anm. 40), S. 252, vgl. S. 252-255 zum „Fall Albert Sch". Allgemein zu den Verhältnis-

sen in Wiesloch neben Janzowski: Franz Peschke: Ökonomie, Mord und Planwirtschaft. Die Heil- und
Pflegeanstalt Wiesloch im Dritten Reich (Aspekte der Medizinphilosophie 10), Bochum/Freiburg 2012;
Erwähnung der Versetzung von Dr. Ehrismann samt der Vorgeschichte in Emmendingen: S. 414f., Hinweise
auf dessen Tätigkeit: S. 437, 442 und 452.

Die Korbflechterei war ein wichtiger Bestandteil der in Wiesloch intensiv angewendeten „Arbeitstherapie
". Diese wurde besonders von Prof. Dr. Carl Schneider (1891-1946) befürwortet, der 1933 Nachfolger
von Prof. Wilmanns auf dem Lehrstuhl für Psychiatrie an der Universität Heidelberg geworden war. Mit
dieser Methode wollte er Kranke wieder einer Aufgabe in der Gemeinschaft zuführen und zugleich ihre
soziale Nützlichkeit bewerten. Als langjähriges NSDAP-Mitglied war er von 1937 bis 1940 Gauamtsleiter
des Rassenpolitischen Amtes der Partei im Gau Baden. Seit 1940 gutachtete er im Rahmen der „Eu-
thanasie"-Maßnahmen (T4-Aktion). Im Dezember 1942 richtete er in der Anstalt Wiesloch eine eigene
Forschungsabteilung ein, um geistig behinderte und an Epilepsie erkrankte Patientinnen und Patienten
vor ihrer Ermordung untersuchen zu lassen. Vgl. Janzowski (wie Anm. 40), bes. S. 263-276; Wikipedia
-Artikel „Carl Schneider" (Stand: 11.01.2019).

Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945?, Frankfurt a. M.
2003, S. 437.

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