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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2019/0163
besonnen. Im Widerspruch dazu hielt er jedoch seine Verbringung in eine andere Anstalt [für]
wünschenswert. Als Begründung gab er dessen frühere Verbrechen an und bemerkte, Scheffel
sei ein rücksichtsloser, gewalttätiger Halbzigeuner [...], vor dem das Personal in dauernder
Angst lebt. Er habe schon einmal auf einer Transportliste gestanden. Man habe ihn nicht mitgegeben
, weil er eine vorzügliche Arbeit geleistet habe und genügend Aufsichtspersonal vorhanden
gewesen sei. Dies sei jetzt anders, Scheffel stelle eine dauernde Gefahr für seine Umgebung
dar.53 Man hatte bei Scheffel ein Messer gefunden, das allerdings eigentlich alle in der Korbma-
cherei Beschäftigten - die er übrigens anleitete - für ihre Arbeit haben mussten. Bei ihm habe
man einen Gewaltausbruch und einen Fluchtversuch befürchtet. Deshalb verordnete man ihm
zur Ruhigstellung eine Schlafkur.SA

Als Dr. Ehrismann sein Schreiben am 23. Mai 1942 absandte, dauerte diese Kur bereits zwei
Tage an. Am 25. Mai 1942 starb Albert Scheffel an Bronchopneumonie. Der frühere Oberarzt
Dr. Josef Jordans, der im Austausch mit Ehrismann nach Emmendingen versetzt worden war,
sagte 1946 aus, Scheffel sei sein Patient gewesen, und er habe ihn mehrfach vor Verlegungen in
eine andere Anstalt bewahrt. Nach seiner Uberzeugung sei er durch Injektionen getötet worden.
In den Ermittlungen der Heidelberger Staatsanwaltschaft in der Nachkriegszeit konnte jedoch
eine Tötungsabsicht - trotz oder wegen erheblicher Widersprüche in den Aussagen der Beteiligten
- nicht nachgewiesen werden. Einer der Gutachter, der Psychiater Dr. Heinrich Kranz (1901-
1979), stellte eine zumindest unzureichende Sorgfalt fest. Auch sei die angeordnete Schlafkur
nicht unbedingt angemessen gewesen. Allerdings unterließ er es zu erwähnen, dass die tödliche
Bronchopneumonie durch das injizierte Beruhigungsmittel Luminal ausgelöst worden war. Das
Verfahren wurde eingestellt.55

Dr. Gustav Schneider, ein hoher Beamter im badischen Innenministerium und mit „Eu-
thanasie"-Maßnahmen betraut, erläuterte bei seiner Befragung in diesem Zusammenhang, es
habe in seiner Anwesenheit eine Besprechung mit Ärzten und Pflegern der Anstalt über Albert
Scheffel gegeben. Er habe daraufhingewiesen, dass aufgrund einer Anweisung Hitlers die Euthanasie
jetzt zwar verboten sei, eine Ausnahme bestehe aber für geisteskranke Schwerverbrecher
. Man solle dann die entsprechende Maßnahme an Ort und Stelle durchführen. Daraufhin

Janzowski (wie Anm. 40), S. 253. Dabei kam es bei Ehrismann noch zu einem interessanten Versehen. Er

begründete den Ausschluss Scheffels von der Transportliste damit, dass vor dem Krieg genügend Personal
für dessen Behandlung und Betreuung zur Verfügung gestanden habe. Die Transporte begannen aber
erst im April 1940.

Die Schlaf kur wurde in den 1920er- und 1930er-Jahren häufig bei schizophrenen Patienten fünf bis zehn

Tage lang durchgeführt. Da es verhältnismäßig viele Todesfälle gab, wandte sich die Psychiatrie von
dieser Methode wieder ab.

Janzowski (wie Anm. 40), S. 254f. und 396f.; E-Mail von Frank Janzowski vom 16.05.2019. Kranz war

nach seinem Medizinstudium ab 1930 am Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche
Erblehre und Eugenik tätig, schied aber 1933 aus. Er galt als einer der wichtigsten Zwillingsforscher
Deutschlands auf dem Gebiet der Kriminalbiologie. Der NSDAP trat er nicht bei, gehörte allerdings
NS-Organisationen an. Eine Hochschulkarriere blieb ihm zunächst aufgrund des Einspruchs der NSDAP
verwehrt. Nach Kriegsende wurde er an der Universitätsnervenklinik in Heidelberg beschäftigt und 1948
zum außerplanmäßigen Professor ernannt. Von 1949 bis 1951 leitete er die Anstalt Wiesloch. 1951 erhielt
er einen Ruf an die Universität Mainz, wo er bis 1966 als Professor für Psychiatrie und Direktor der
Universitätsnervenklinik wirkte. 1960 wurde er Präsident der Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenheilkunde
. Vgl. Klee (wie Anm. 52), S. 335; Wikipedia-Artikel „Heinrich Kranz" (Stand: 11.01.2019).

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