http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schneider2000a/0021
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Aber auch eine andere abgerissene oder umgebaute Kirche aus
dem Tübinger Raum kommt in Betracht , so etwa eine der Vorgängerkirchen
der Tübinger Stiftskirche. Dafür , dass die dem
Bildwerk der Jakobuskirche entsprechenden, aus der Vorzeit
stammenden Formen auch im Tübinger Raum fortgelebt haben ,
sprechen der Mann mit den erhobenen Armen und die Sonnenspi-
raJen an der Kapelle von Schwärzloch und die Sonnenscheiben im
Gebälk des "Doktorhofs" in Tübingen-Pfrondorf, wovon später
die Rede sein wird . Man kann aber auch daran denken , dass die
Steinplatten mit dem Bildwerk von weither nach Tübingen gekommen
sind . Zur Verschleppung römischer Bildwerke:
Ferdinand Haug , Römisch-Germanisches Korrespondenzblatt
9 , 1916 S. 27 : Die Verschleppung römischer Denkmäler ist
eine wohlbekannte Tatsache . Im Mittelalter verwendete man
römische Denkmäler zu Kirchen-, Klöster- und Burgenbauten
, teils nur als brauchbare Bausteine , teils auch als Merkwürdigkeiten
. Das letztere gilt z. B. von der Bauurkunde der
spätrömischen Stadtmauer von Winterthur , die im Münster
von Konstanz eingemauert wurde . Ein Votivstein aus Speyer
kam auf eine nicht mehr nachweisbare Weise nach Rottweil
. Damit treten wir schon in die Welt des Humanismus
ein , in welcher diese Tätigkeit fortgesetzt wurde von Klerikern
, Adeligen und Fürsten . Von Augsburg kam ein spätrömischer
Grabstein in die Sammlung des Grafen Ulrich von
Montfort nach Tettnang .
Das gilt wohl auch für früh- und hochmittelalterliche Bildwerke.
In einer derartigen Sammlung , etwa der Herzöge von Württemberg
auf dem Tübinger Schloß oder eines Tübinger Humanisten,
könnten sich die Steine mit den Sonnenscheiben befunden haben,
bevor sie um das Jahr 1500 in die Jakobuskirche eingebaut wurden.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist :
Albrecht F. K. Schmidt , Renovationsschrift : Eine bereits
früher erfolgte mineralogische Untersuchung der Steine stellte
fest , dass sie nicht aus demselben Material stammen ,
wie die Kirche selbst .
Es wird noch einmal angeregt , Untersuchungen darüber anzustellen
, wo der Sandstein , der zu dem Bildwerk verwendet worden
ist , vorkommt . An meiner früheren Vermutung , dass die an
der Jakobuskirche angebrachten Platten mit den Sonnenscheiben
aus Galicien stammen , wo Sandstein gleichfalls ansteht , möchte
ich einstweilen nicht mehr festhalten .
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