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Skeptisch ist allerdings der Archäologe
Kurt Bitte! S. 20 : Manche Köpfe und Gesichter solcher
romanischen Bildwerke, wie etwa in Belsen, in Faurndau,
Forchtenberg , Hemmendorf , Murrhardt , Wannweil , halten
sich mit ihren starren , sparsam charakterisierten Gesichtern
in einem Rahmen , in den sich auch die keltische Bildkunst
allenfalls einordnen läßt. Aber sie teilt diese Gemeinsamkeiten
ebenso wie die romanischen Beispiele mit einem räumlich
weit hinausgehenden Bereich, der in einer unteren Schicht
der Kunstübung auch manche mittelmeerischen und vorderasiatischen
Gebiete, auch die altslavische Welt , einbegreift.
Es soll damit nicht ausgeschlossen werden , dass in unserem
engeren Raum keltisches Erbe wenigstens im Formalen ,
d. h. im indirekt Überkommenen sich geltend machen könne .
Aber ausschlaggebend und weiterführend wäre das nicht,
denn entscheidend könnte ja nur sein , wenn das Formale in
diesen , sowieso wenigen Fällen sich mit dem Inhalt
deckte , wenn diese romanische Bauplastik , seien es männliche
Gestalten , seien es Köpfe und Gesichter, auch in ihrer
Bedeutung , in dem , was der Schaffende mit ihnen aussagen
wollte und was der Betrachtende in ihnen sah , noch
von keltischen Vorstellungen oder deren Nachläufern getragen
gewesen wäre . Wo aber aus ihrem Zusammenhang,
aus ihrer Vergesellschaftung mit anderen Zeugnissen ein
Urteil möglich ist , und nur darauf , nicht auf vage Spekulationen
haben wir uns zu verlassen , zeigt es sich , dass sie
weit überwiegend aus der christlichen Vorstellungswelt gedacht
und empfunden sind, dort also ihren wahren Ort haben
, auch wenn sie formal archaisch anmuten . Den in
dieser umfassenden Gruppe nicht unterzubringenden Rest,
soweit er nicht nachweislich auf antike oder orientalische
Motive zurückgeht, für echtes keltisches Erbe zu halten,
bleibt jedem unbenommen , der es sich zutraut , diesen
schwankenden Boden zu betreten .
Zu diesen Bemerkungen von Kurt Bittel ist Folgendes zu sagen:
Dass die romanische Zeit künstlerisch hervorragende Bildwerke
hervorgebracht hat, zeigen Uta am Naumburger und der Reiter
am Bamberger Dom . Wenn manche Bildwerke scheinbar primitiv
sind , so hat das , wie dargetan worden ist , besondere Gründe.
Man kann sie deshalb nicht auf die gleiche Stufe stellen wie die
alte mittelmeerische oder slavische Plastik . Schon der erste Blick
zeigt , dass alle der von Bittel genannten Beispiele ( Belsen ,
Faurndau , Forchtenberg , Hemmendorf , Murrhardt, Wannweil )
mit dem Christentum nicht das Geringste zu tun haben und nicht
aus der christlichen Vorstellungswelt gedacht und empfunden
sind ; die Bildwerke von Belsen und Hemmendorf scheiden ohne-
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