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libertas macht
Erwin Wolf , in: Tacitus, hrsg. von Victor Pöschl S. 269 :
Die ausgedehntere germanische libertas kennt nicht das
Walten der potestas in der Magistratur und damit die
römische disciplina. Die westgermanischen Stämme sind
dargestellt als die Hauptvertreter der echt germanischen
kriegerischen und politischen virtus. Diese virtus, selbst in
der libertas erwachsen, ist der römischen "republikanischen"
d. h. in libertas sich regierenden virtus äquivalent. Scharf
wird in c. 11 die libertas herausgehoben an einem scheinbar
unwesentlichen Zuge, dem unpünktlichen Kommen zur
Landsgemeinde, so dass zugleich das Bedenkliche dieser
libertas sine disciplina hervortritt .
Die genannte Stelle der Germania lautet :
Das aber ist eine üble Folge ihres Freiheitssinnes, dass sie
sich nicht gleichzeitig und wie auf Befehl einfinden, sondern
durch die Saumseligkeit der Dingleute zwei oder drei Tage
vertan werden.
Die germanische Volksversammlung
Nach der Germania des Tacitus hat bei den Germanen die Entscheidung
über alle wichtigen Angelegenheiten der Völkerschaft
bei der Volksversammung , dem concilium civitatis , gelegen.
Auch das spricht dagegen , dass bei den Germanen eine "Adelsherrschaft
" bestanden und das Volk "nichts zu sagen" gehabt hat.
Ein ausführlicher Bericht über die germanische Volksversammlung
findet sich in
Tac. Germania c. 11 : Sie versammeln sich, falls nicht unerwartet
etwas Besonderes geschieht, an bestimmten Tagen,
bei Neumond oder bei Vollmond. Wie es der Menge gefällt,
lassen sie sich nieder und zwar bewaffnet . Stillschweigen
gebieten die Priester, die dann auch die Banngewalt haben.
Sodann werden der König oder die principes angehört , je
nach dem Alter, der Vornehmheit , dem Kriegsruhm, der
Beredsamkeit , mehr angesehene Ratgeber, als befehlende
Machthaber. Mißfiel ein Vorschlag, so lehnen sie ihn mit
Murren ab, gefiel er, schlagen sie die Speere zusammen. Als
die ehrendste Art des Beifalles gilt es , mit Waffenklang zu
loben.
Dazu bemerken:
Erwin Wolf a. a. 0. S. 270: Der Aufbau des c. 11 ist darauf
angelegt , den Leser den Gang eines germanischen concilium
miterleben zu lassen. In den zeitlichen Hergang sind die
einzelnen Institutionen und Sitten, ihre innere Begründung
und Wertung eingebaut , und zugleich spüren wir einen dauernden
und schwebenden Bezug auf die römischen Institutionen
. Die Auswahl der Männer, von denen sich das Volk
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