http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schneider2001/0013
- 3 -
beraten lässt, nach Nobilität, Kriegsruhm, Redegewalt, vor
Allem das Vorwalten der auctoritas vor der potestas , das
sind die entscheidenden Züge , die die germanische libertas
mit der römischen gemein hat. Man möchte glauben, eine
Senatsitzung beschreiben zu hören.
Georg WaJtz I S. 346 : Alle, welche an der Landsgemeinde
teilnehmen, erscheinen bewaffnet. Das war Recht und Zeichen
der Freiheit. Als schwere Schmach lässt Tac. Hist. IV,
64 die Tenkterer hervorheben, dass die Römer ihnen, den zu
den Waffen geborenen Männern, nur gestattet hätten, unbewaffnet
und unter fremder Aufsicht sich zu versammeln.
Fritz Wernli II S. 15 : Einem bewaffneten Volk kann keine
Führerclique ihren Willen aufzwingen.
Friedrich Lütge , Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte
2. Aufl. 1960 S. 28 : Kann man sich vorstellen , dass
die bewaffnet zur Volksversammlung kommenden freien
Männer sich einem schlichten Befehl gebeugt haben?
Gerd Althoff , Verwandte, Freunde und Getreue, Zum persönlichen
Gruppenwert im frühen Mittelalter 1990 S. 19 : Eine
eher genossenschaftliche Form der Meinungsbildung beobachtete
Tacitus in der germanischen Volksversammlung.
Nicht die potestas iubendi, die Befehlsgewalt, entschied
dort, sondern die potestas suadendi, die Uberzeugungskraft.
Man hörte die Argumente der reges und principes an . Es
gab Missfallensäußerungen in Form von Murren. Beifall
spendete man durch Zusammenschlagen der Waffen.
Man hat aus Tac. Germania c. 11 schließen wollen, nur die Könige
und principes hätten das Recht der Rede in der Volksversammlung
gehabt. Gegen diese Meinung mit Recht:
Georg Waitz IS. 77 : Wo von solchen Versammlungen später
die Rede ist, wird erzählt, dass ein durch Alter und andere
Eigenschaften ausgezeichneter Mann auftritt und der Stimme
des Volkes Ausdruck gibt. Es ist in völliger Ubereinstimmung
, wenn man in c. 11 die Worte prout aetas ... von den
vorhergehenden trennt und auf das versammelte Volk überhaupt
bezieht.
Heinrich Brunner I S. 177 : Man hat die Beschränkung aus
Germania c. 11 folgern wollen. Allein das Gegenteil folgt
schon aus der gerichtlichen Tätigkeit des conciliums nach c.
12 : licet apud concilium accusare, und man wird nicht behaupten
wollen, dass nur der König oder die principes klagen
durften .
Felix Dahn, Die Könige der Germanen I S. 68 : Die Stelle
geht wohl davon aus, dass zunächst natürlich der Vorstand
des Staates eine gewichtige Stimme habe, aber nur eine
vorschlagende , nicht eine befehlende. Mit diesem ersten
. Gedanken wird nun der zweite, dass auch andere, mehr
faktische Momente , Alter, Vornehmheit, Kriegsruhm , Redekunst
, Veranlassung geben , das Wort zu ergreifen, in einer
allerdings unklaren , bei Tacitus nicht seltenen Satzfügung
verbunden . Man muss nicht annehmen, die Stelle wolle nur
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schneider2001/0013