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von Embryonalanlagen durch Implantation artfremder Organisatoren. 629
abhinge, in der die Invagination und Längsstreckung erfolgt und dann
eventuell früher oder später die determinierende Wirkung ausgeht.
Dabei könnte sich der Wirtskeirn seinerseits rein passiv verhalten oder
aber durch eine Struktur oder durch Zellbewegungen an der endgültigen
Form und Lage des Implantates beteiligt sein.
Mit der Annahme einer inneren Struktur des Organisators stimmt die
Tatsache überein, daß der nach Zufall wechselnden Orientierung des
Implantates eine sehr verschiedene Orientierung der sekundären Embryonalanlage
zur primären entsprach. Eine sichere Entscheidung
wird freilich erst möglich sein, wenn man die Orientierung des Organisators
willkürlich bestimmen kann.
Für eine Mitwirkung des Wirtskeimes scheint eine Eigentümlichkeit
in der Lage des Implantates zu sprechen, auf welche schon die
Aufmerksamkeit gelenkt wurde (S. 617), daß es nämlich in seiner
Längsausdehnung nicht genau mit der Medianlinie der sekundären
Embryonalanlage zusammenzufallen oder ihr wenigstens parallel zu
laufen braucht, sondern einen spitzen Winkel mit ihr bilden kann.
Diese Tatsache ist überraschend, wenn man die Längsstreckung des
Implantates rein auf die in ihm selbst liegenden Kräfte zurückführt
und zugleich annimmt, daß auch die Richtung einer von ihm ausgehenden
Determination von ihm aliein bestimmt wird. Dabei müßte
man nämlich erwarten, daß sich das Implantat genau in seiner Sagittal-
ebene streckt und sich dann nach vorn und den Seiten hin aus dem
angrenzenden Material derart ergänzt, daß es genau median oder wenigstens
sagittal in den induzierten Achsenorganen zu liegen kommt. Die
Abweichung hiervon muß wohl auf eine Mitwirkung des Wirtskeimes
zurückzuführen sein. Entweder wird die Streckung des Implantates
durch die Zellverschiebungen der Umgebung beeinflußt, so daß sie
die Resultante aus innewohnenden Tendenzen und äußeren Kräften
wird; oder aber könnte die Determination selbst durch eine innere
Struktur des Wirtskeimes abgelenkt werden.
Aus diesen Überlegungen ergibt sich das Experiment, eine etwaige
Struktur des Organisators zu zerstören und zu prüfen, ob er dann immer
noch determinierend wirken kann. Man müßte also etwa ein Stück
aus der oberen Urmundlippe zerquetschen und es dann dadurch zwischen
die beiden Keimblätter der Gastrula zu bringen versuchen, daß man
es in die Furchungshöhle der Blastula einführt.
Die Teile der oberen Urmundlippe besitzen also offenbar eine bestimmte
Struktur, vermöge deren sie sich in bestimmter Richtung
einstülpen und eventuell auch Reize aussenden können, welche die
indifferenteren Teile zu bestimmter Weiterentwicklung veranlassen,
mögen nun diese normalerweise an sie angrenzen oder durch das Experiment
in Berührung mit ihnen gebracht werden. Auch diesen in-
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