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von Embryonalanlagen durch Implantation artfremder Organisatoren. 637
toren in einem gegebenen Stadium beisammen liegen, nicht etwa ein
Zentrum, von dem aus die Entwicklung geleitet wird. Die Bezeichnung
»Organisator « (statt etwa »Determinator«) soll zum Ausdruck bringen,
daß die von diesen bevorzugten Teilen ausgehende Wirkung nicht nur
eine in bestimmter, beschränkter Richtung determinierende ist, sondern
daß sie alle jene rätselhaften Eigentümlichkeiten besitzt, welche uns
eben nur aus der belebten Natur bekannt sind.
IV. Zusammenfassung der Ergebnisse.
Ein Stück aus der oberen Urmundlippe eines in Gastrulation begriffenen
Amphibienkeims übt eine organisierende Wirkung auf seine
Umgebung aus, derart, daß es, an eine indifferente Stelle eines anderen
Keimes verpflanzt, dort die Bildung einer sekundären Embryonalanlage
verursacht. Man kann ein solches Stück daher als einen Organisator
bezeichnen.
Wird der Organisator innerhalb der normalen Einstülpungszone
implantiert, so nimmt er an der Gastrulation des Wirtskeimes teil und
hat mit ihm nachher den Urmund gemeinsam; außerhalb jener Zone
stülpt er sich selbständig ein. Er kann dabei zum Teil oberflächlich
bleiben und dann bei der Bildung des Ektoderms, und zwar der Medullär -
platte, mitwirken; oder er kann ganz in die Tiefe rücken und vollständig
zu Ento-Mesoderm werden. Es ist wahrscheinlich, daß dabei auch Zellen
des Wirtskeimes mit eingestülpt werden können. Schon dies ist wohl
auf eine determinierende Wirkung des Implantates auf seine Umgebung
zurückzuführen.
Im Anschluß an das Implantat entsteht im Wirtskeim eine sekundäre
Embryonalanlage, deren Ausbildungsgrad ein verschieden hoher
sein kann. Dies hängt zum Teil davon ab, ob sie mit den primären
Achsenorganen interferiert oder ganz selbständig bleibt. In einem Falle
der letzteren Art war ein Medullarrohr ohne Hirn und Augen, aber mit
angelagerten Hörblasen entwickelt, ferner Chorda, Urwirbel und Vornierengänge
.
Diese sekundären Embryonalanlagen sind immer gemischter Abkunft
, zum Teil aus Zellen des Implantates, zum Teil aus solchen des
Wirtskeimes aufgebaut. Wird, wie bei den in Rede stehenden Experimenten
, ein artfremder Organisator zur Induktion verwendet, so läßt sich
die chimärische Zusammensetzung mit Sicherheit und großer Genauigkeit
feststellen. Sie wurde für die meisten Organe nachgewiesen, für
Medullarrohr, Urwirbel, ja seilst für die Chorda.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß diese sekundären Embryonalanlagen
irgendwie vom Organisator induziert worden sind; dagegen
läßt sich noch nicht entscheiden, auf welche Weise dies geschieht, vor
allem wann und auf welchem Wege. Die induzierende Wirkung könnte
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