Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z2a
Sphinx: Zeitschrift für praktischen Okkultismus; Zentralorgan der Deutschen Okkulten Gemeinschaften
Augsburg, 1.1919/20
Seite: 169
(PDF, 83 MB)
Bibliographische Information
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Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
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leisesten Schwingungen. Aber er schwingt nur in zwei Farben: einmal grün, alle
Schattierungen durch, und, manchmal, sehr selten, rosenrot. Merke Dir das, bitte,
wohl für später. Übrigens, rosenrot wird er immer dann, wenn ich verliebt bin.

Ich sage mir: hundert Erscheinungen, die noch im Mittelalter Hexenwerk
und Teufelsspuk waren, sind heute, durch physikalische Gesetze erklärt, selbstverständlich
. Denke nur an Elektrizität, an Magnetismus, an die Röntgenstrahlen,
meinetwegen an das Eadium. Also, in fünfhundert Jahren wird man den Chamäleoncharakter
meines Steines auch erklären können. Warum soll denn gerade ich ein
Wundermann sein, he? Für Metaphysik bin ich nun einmal nicht zu haben. Soweit
war ich mit meinem Chrysolith im reinen, bis das Seltsame geschah.

Horch zu! Du kennst ja den Willi Kerner? Netter, gefälliger, etwas oberflächlicher
Mensch. Vor drei Wochen etwa verdrießt ihn plötzlich das Großstadtleben.
Den Trubel solle doch gleich der und jener holen, und ein paar Tage Weltabge-
sclüedenheit in irgendeiner gottverlassenen Gegend könnte uns beiden nicht schaden.
Er habe irgendwo ein ganz verlassenes, halb zerfallenes Jagdschlößchen, ob wir nicht
hinfahren sollten. Dienerschaft gibts nicht. Weit und breit keine Menschenseele.
Proviant muß mitgenommen werden; wir würden selbst kochen, ganz mutterseelenallein
sein. Großartig, ich greife sofort zu. Abends sitzen wir in der Bahn, morgens
sind wir an Ort und Stelle. Herbststimmung. Berge von rostbraunem Fall-Laub.
Weltverlasscne Einsamkeit. Mein Chrysolith zeigt ein helles, gesinntes Gelbgrün.
Am zweiten Tage unserer Einsamkeit, wir kochten eben ab, stapft ein Mensch durch
das Fall-Laub. Seit drei Stunden ist er vom nächsten Postamte her unterwegs; er
bringt ein Telegramm. Wir brechen es auf: Willi Kerner soll zurückkommen, seine
Schwester sei erkrankt, nicht gefährlich, aber man wolle ihn doch zuhause haben.
Der Willi trabt also mit dem Depeschenboten zur Eiseitbahnstation, ich bleibe
zurück. Ganz allein. So einsam ist es nun, als ob ich der einzige Mensch auf
Erden wäre. Das will ich einmal auskosten, dieses schier unwirkliche Alleinsein.
Ich mache Feuer, verschließe Türen und Fenster mit Stricken, krieche unter die
Decke. Der Wind spektakelt. Revolver —? Wozu! Es ist weit und breit keine

Seele. Da---im ersten Halbschlaf — ein Klopfen — rhytmisch, energisch —

nicht so gedankenlos wie der Sturm klopft. Na, sollte da ein Mensch . . . Ich
springe auf, rufe — eine klägliche Stimme antwortet ganz schwach. Ich reiße die
Stricke auseinander, lasse eine Gestalt eintreten — eine Gestalt — oh, mein Bester,

Du hast keine schönere Frau je gesehen. Märchenhaft......verwunschene

Prinzessin, und sie erzählt, daß sie die T.ochter eines Gutsbesitzers sei, sich im
Sturm verirrt habe, ganz entkräftet wäre — gottlob, hier sah sie ein Licht.

Ich hülle ihre Schultern in ein warmes Tuch, stecke ihre Füße in einen Pelzsack
. Eine Dame in meinem Schutz, mit mir allein in einer verfallenen Bude. Ich
grüble erst nicht lange: wie war es möglich, daß sich eine Dame verirren konnte
in Wald und Wind. Ich spüre nur das Seitsame, Märchenhafte. Ich erzähle von
meinem grünen Stein. Sie lächelt so, als ob das für sie gar kein Rätsel wäre. Ich

betrachte heimlich meinen Chrysolith. Hurrah — er brennt rosenrot--rosenrot,

also bin ich verliebt. Und sie neigt müde ihren Kopf gegen meine Schulter . . .
stille, süße, schöne Stunde! Da fällt mir ein: wozu sie fragen, ob sie mir gut
werden könnte — wozu fragen — der Ring — der Ring ! Warum sollte er an
anderen Fingern nicht sein Wunder tun ? Nur die eigenartige Stimmung ließ mich
jetzt an den Ring denken. Wenn ich ihr den Ring an den Finger stecke, und der
Stein bleibt rosenrot — dann — oh, dann! Und ich lasse den Goldreif auf ihren
schlanken Finger gleiten .... glaube mir, was ich jetzt sah, hat mich bleich gemacht,
Der Stein wurde augenblicklich fast schwärzlich . . . giftig, unheimlich bläulich grün,
und in die Augen meiner Prinzessin kam ein feindseliger, lauernder Zug, zugleich


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