Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z2a
Sphinx: Zeitschrift für praktischen Okkultismus; Zentralorgan der Deutschen Okkulten Gemeinschaften
Augsburg, 1.1919/20
Seite: 207
(PDF, 83 MB)
Bibliographische Information
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Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
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ein stärkeres, zu einer die Seele in Bührung und Jauchzen mitreißenden Melodie
sich steigerndes Klingen erhob sich ringsum, rosenrote Lichter umflammten den
Horizont und hinter der sanft geschwungenen Linie eines der Berge im Hintergründe
erhob sich mit blendendem Lichte der ungeheure Flammenball
der Sonne, an Umfang wohl das Zehnfache der Sonnenscheibe auf Erden. Die
Melodie, ein wundersamer Lobgesang von Sphärenklängen, schwoll an wie fernes
Orgelbrausen und verklang wieder wie verhauchende Aeolsharfen. Ftigenhauer sah
und lauschte so ergriffen, daß ihm die Tränen aus den Augen rannen. Er war ganz
außer sich und er begriff nun, daß uns auf Erden das geisterhafte Tönen der Aeolsharfe
mit Sehnsucht und freudebangen Ewigkeitsgefühlen so unsäglch zu erfüllen vermag.

Er suchte sich zu bezwingen und zu sammeln. „Sind wir hier auf dem Merkur
oder auf der Venus, daß wir der Sonne soviel näher sind als auf Erden ? Und, der
Sonne so nahe, verbrennt nicht Alles hier unter ihrer Glut?" vermochte er endlich
zu fragen. Ein freundlicher jüngerer Mann schüttelte mit Lächeln verneinend das
Haupt: „Nein, lieber Gefährte! Über die Entfernungen täuscht Dich unsere so viel
leichtere Atmosphäre. Irdische Maßstäbe darfst Du hier überhaupt wohl nicht anlegen;
unser Dasein hier steht unter ganz anderen Grundbedingungen, vor denen die irdischen
Normen zerfließen. Aber über ein Kleines wirst Du Dich schon zurechtfinden!" In
allem Jubel und in allem Staunen kam über Fügenhauer eine gewisse Bangigkeit
und er griff die letzten Worte des milden Gefährten auf: „Zurechtfinden, — ach ja!
Darf ich Euch herzlich bitten: laßt mich jetzt allein? Es wird mir zuviel, — ich bin
wie betäubt, — seid Ihr mir auch nicht böse?" Sie lächelten alle wie im Einverständnis
über ihn. „Gut sind wir Dir!" klang es von Allen wie aus einem Munde; schon
entfernten sie sich in federnder Bewegung und er war allein.

Wie traumverloren wanderte er den Bach entlang, der sein summendes Lied
süß und innig wie eines jungen Staares bettelndes Zwitschern weitersang. „Schon
suche ich, spannen sich seine Gedanken fort, wieder die Einsamheit wie so oft drunten
im Leben; man kann doch nicht aus seiner Seele heraus! Schon quält mich wieder
der Feind meines Lebens, der Zweifel! Was überkommt mich diese traurige Bangigkeit?
Wie und wodurch soll ich mich hier läutern und emporbilden können? Und, o Gott,
unfaßbarer Schöpfer des Welltalls und meines armen, kleinen Ichs, was Alles habe
ich auf Erden versäumt und verloren, weil ich aufschob, was ich tun konnte und
mußte. Daß Freund Gustav aus fernen Jugendtagen noch einen uneingelösten Schuldschein
von mir besitzt, das werden meine Erben ordnen; daß aber Freund Adolf, der
arme Stellungslose, die von mir erbetene Empfehlung noch nicht erhalten hat, das
kann ich nicht mehr gut machen; er wird mit Frau und Kinder weiter hungern
müssen, vielleicht in Verweiflung geraten, — barmherziger Gott, wie mache ich das
gut ? 0 fluchwürdige Gleichgültigkeit der Satten, o schandbare Bequemlichkeit der
Selbstsüchtigen!

Und wo ist Gott? Auch hier ist er unsichtbar, auch hier nicht zu fühlen, zu
begreifen, — warum ist er nicht da? Warum verbirgt er sich seinen Geschöpfen?
Ist er erst auf höheren Stufen zu erreichen oder ist der arme, kleine Mensch dazu
überhaupt nicht im Stande?"

Halb unbewußt hatte er den See erreicht, in den mit stärkerem Klingen sich
der Bach ergoß. Himmelblau dehnte sich die weite Fläche vor ihm, auf der es leise
wie leichte Nebel hin und her wogte. Und eben jetzt drückten den einsamen
Wanderer Beue und Bangigkeit so nieder, daß er, ohne sich Bechenschaft von seinem
Tun zu geben, sich unversehens von einem Uferfels in das Gewässer stürzte. Es
klatschte nicht auf; es teilte sich lautlos vor ihm und schon schwamm er wieder
oben, ohne zu sinken. Das war ja auch kein Wasser: was war es denn nur? Alsbald
auch nahten von mehreren Seiten helle Gestalten, von den schon gesehenen und


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