Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z2a
Sphinx: Zeitschrift für praktischen Okkultismus; Zentralorgan der Deutschen Okkulten Gemeinschaften
Augsburg, 1.1919/20
Seite: 209
(PDF, 83 MB)
Bibliographische Information
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Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
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Wieder rauschte es durch die Luft wie ein Lobgesang von Tausenden von
Engelstimmen in allen Höhen und Tiefen; das hell jubelnde Singen der Vögel in den
Bäumen, das hauchende Rauschen der Wasser mischte sich darein; wieder kamen
Fügenhauer in zitternder Ergriffenheit die Tränen in's Auge geschossen und als sich
ihm der Blick verschleierte, schien es ihm, als weiche der Boden unter ihm auseinander
und er sinke und sinke, tiefer und tiefer, unendlich weit und unendlich
lange. Sein Bewußtsein schien zu schwinden, die machtvollen Melodien verklangen in
immer weiterer Ferne, die flutende Lichtfülle der majestätischen Riesensonnenscheibe
dämpfte sich mehr und mehr ab, vor seinen Augen stiegen und fielen auf nachtschwarzem
Grunde grüne, goldne, rote, silberne, blaue und violette Feuerkugeln, wi«
es ihm schien, stundenlang, tagelang, grenzenlos in Raum und Zeit, und als er sich
wieder sammelte und zur Klarheit kam in Schauen und Denken —

Er sah auf einem niedrigen Diwan in einem vornehm bürgerlich eingerichteten
mittelgroßen Zimmer ein splitternacktes winziges Menschenkind liegen, puterrot am
ganzen Körper, das mit halbgeschlossenen Äuglein in das unangenehme helle Licht
einer Gaslampenkrone blinzelte und ununterbrochen quärrcnde Töne von sich gab
Ein ihm riesengroß erscheinender Herr stand vor dem winzigen Wesen und betrachtete
mit ruhiger Freude das kleine Wunder. Dann nahte eine ebenso riesengroße
Weibsperson in weißer Schürze und mit bloßen Armen, nahm den kleinen Erdenbürger
auf und begann ihn sorgsam und eilfertig einzuwickeln, worauf er sein klagendes
Quärren verstärkte. Erschrocken merkte Fügenhauer nun erst, daß1 er selbst das
winzige Lebewesen war, daß er selbst in dem roten Körperchen steckte, das nun in
blütenweiße Wäsche eingezwängt wurde. Mit aller Kraft, so winzig diese war,
versuchte er das den riesengroßen Menschen, riesengroß nämlich gegen seine
Däumlingsmaße, klar zu machen, brachte aber nichts heraus, als sein nun fortissime
unwilliges und entrüstetes Quärren. So laut er konnte, daß sein ganzes Körperchen
bebte, schrie er: „Hört mich doch nur! Ihr täuscht Euch, ich bin kein hilfloser
Fötus! Ich bin eine Vollmenschenseele, unter Euch gebannt, weil zum irdischen
Leben verurteilt!" So und noch länger setzte er sein Anrufen fort, bis er merkte,
daß seine kleine, angestrengte Kehle weder Worte noch Sätze zu Werke brachte,
sondern nur das quarrende Geschrei, das disharmonische, aber für Mutterohren so
himmlische Konzert, wie es alle kleinen Kinder nach Maßgabe ihrer Lungenkraft zu
verüben pflegen. Dann steckte ihm die Riesendame einen Gummisauger in das
Mündchen, er zog und zog, schluckte und gluckste, und wohlig verschwamm ihm das
Bewußtsein seiner selbst, des Erlebten und die Erinnerung. Diese verblaßte und versank
immer mehr und war schon vollständig geschwunden, ehe noch das erste Lächeln
seines rosigen Puppengesichtchens das Herz seiner Mutter mit unaussprechlicher
Freude erfüllte. Und dann entspann sich sein Leben, wie sich das Leben eines
geistig nicht unbegabten und gesunden Knaben aus bürgerlichem Wahlstand zu entwickeln
pflegt. Sonnige Kindheit und Knabenzeit, fröhliche sorglose Jugend und
nichts darin, was ihn zu besonderem Nachdenken hätte bringen köunen. Er hieß
Hey weck und hatte von einem Herrn Fügenhauer auch nicht die dämmerhafteste Ahnung.

In seinem späteren Leben zeigte er hin und wieder kleine Eigenheiten, über
die man gelegentlich lächelte oder milde den Kopf schüttelte, ohne sie indessen
besonders wichtig oder störend zu finden. So war er z. B. absichtlich drei Jahre
lang verlobt, ehe er an's Heiraten dachte. „Erstens ist es die schönste Zeit des
Lebens", sagte er zu seiner hübschen und liebend fröhlichen Braut, „und zweitens
müssen wir uns doch erst kennen lernen!" Und nach drei Jahren sagte er: „Wir
sind uns eigentlich doch noch fremd und müssen es bleiben, solange wir nicht
verheiratet sind. Also heiraten wir!"

Hat man je einen Bräutigam so mit seiner Braut sprechen hören ?

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