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Am 14. März.
Christus als Ankläger!
Unendlich ist die Menge der seiner wartenden Arbeit.
Das Herz krampft sich dem Sehenden zusammen und die Seele
weint bittere Tränen.
„Jugendverrohung" — welch trauriges Kapitel in der Geschichte
des Jahres 1920. Natürlich ist «ie nach der Meinung vieler nur die
Folge der von den Sozialisten dekretierten Abschaffung der „Religion".
Ich konnte mich zu dieser Auffassung, daß die sozialistische Autoritätsuntergrabung
und die Trennung von Staat und Kirche das
Karnickel seien, nie bequemen, denn — so rasch wachsen auch im
sozialistischen Lebensgarten* die Früchte nicht, aber ich blieb in
diesem Punkte wie in so vielen anderen Einspänner.
Jüngst nun erhielt ich eine Einladung m einem Familien-Yer-
gnügungsabend eines Vereins, in dem ein Gymnasialdirektor erster
Vorsitzender ist uud in dem ein Mittelschulrektor die erste Geige spielt.
Auz Nützlichkeitsgründen beschloß ich mit meiner Frau hinzugehen.
Viel junge Menschenblumen waren da, viele Knospen auch, an
denen sich Auge und Herz erfreuen konnten. Auch der Auftakt war
vielversprechend. Zwei bedeutende Künstler boten nach des Gymnasialdirektors
schlichten, herzlichen Begrüßungsworten an Klavier und
Geige Mustergültiges, auch ein eminent begabter humoristischer
Rezitator gehörte in die erste Klasse. Einige gute Gesangsnummern
und ein Reigen lieblicher Mägdelein folgten. Ach, wenn es damit
aufgehört hätte!
Zwei Darbietungen zerstörten leider das schöne Bild in
unerhörtester Weise. Der alte Rektor mit ehrpusselichem Samt-
käppchen stimmte eine Elegie an ob der für ihn verschwundenen Zeit
des Herzens und Küssens und — pries alsdann in widerwärtig
geschraubten Tönen als Tröster und als Panacee wider den Tod den
— Suff!! I — und dann folgte etwas so Furchtbares, wie ich ähnliches
in fast 20 Jahren im Verkehr mit Sozialdemokraten unterster Stufe
nicht erlebt habe. Ein abgehalfterter Groteskkomiker trat auf und —
suchte ein Weibchen und bot sich den anwesenden Frauen als Ehekandidat
an mit der Begründung, daß er das in erster Linie zur
Ehe Notwendige in mustergültiger Weise besitze.
Und diesen Menschen ließen die pädagogischen Veranstalter des
Abends ungehindert seinen Unflath in Gegenwart ihrer Kinder und
Jungfrauen in drei aufeinanderfolgenden Njimmern darbieten, deren
letzte in dem Satze gipfelte:
„Der Floh kraucht den Damen
Auf dem Rücken, auf der Seite, auf dem Bauch,.
Das möcht ich auch!"
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