http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/sphinx_zo_dog/0266
Die frage der persönlichen Unsterblichkeit hat in sehr einleuchtender
Weise den Menschengeist, als sein höchstes Interesse, von frühester Entwicklungsstufe
an stets tiefinnerst beschäftigt.
Denn ohne das Bestehen . der Unsterblichkeit verlöre das ganze Dasein in der
Schöpfung für den Menschen jeglichen Sinn und Zweck. Nach winzig kurzem Erdenwandel
würde er dem Schauplatze, wo er gestrebt und gewirkt, an den ihn Sympathien
und Hingebungen binden, für immer entrissen werden, er selbst würde in
das Nichts der Bewußtlosigkeit vergehen, nachdem er zuvor manches teure Wesen,
an dem er mit allen Fasern seiner Seele hing, leiden und hinsterben gesehen. Die
ganze Schöpfung wäre ein trostloser, öder Leichenacker voll Trübsal und Elend; es
wäre für jedes lebende Geschöpf ein Fluch, auf der leidvollen Erde zu existieren, wo
es so wenig .Gerechtigkeit und Menschenliebe gibt, sondern nur die Jagd nach dem
Geld, wenn die Existenz keinen höheren Sinn hätte. Es verlöre ja dann jedes
moralische Gefühl, jede Sittlichkeit, aller Sinn für die Schönheit und Erhabenheit,
alles Wissen und alle Kenntnis, alles Trachten nach Wahrheit und Erkenntnis, kurz
jedes edlere Streben, jeglichen Wert und Zweck, und besonders der mitfühlende zart
besaitete Mensch hätte alle Ursache, das wilde Tier um seine Gefühllosigkeit und
Unvernunft zu beneiden! In solcher trostlosen Überzeugung von der Zwecklosigkeit
des Daseins besteht ja die hoffnungsfinstere Konsequenz des Materialismus, die leider
heutzutage in großer Blüte steht, und wenn Gott will, bald zerfällt. Ich erinnere
mich an eine arme Dulderin, die am Krankenbette die Worte aussprach: „Den Verräter
siebt man oft so glücklich —" und „das Auge guter Menschen naß — oh, das
drängt, das preßt aus vollem Herzen — oft die Frage: „Vater, warum tust du das ?*
Solche Worte werden oft von Menschen ausgesprochen, die vom Weltmarkt des
Geld-Kapitalismus ausgesaugt wurden, von Menschen, die Millionen zusammen
häufen und am Gtftbaum der Börse Wucher treiben mit dem Schweiße der armen
Menschen. Wie viel Elend, Not, Kummer, Sorgen gibt es nicht auf dieser Welt,
auf diesem Jammertal, Erde genannt. „Doch Geduld, wenns Herz auch bricht, mit
Gott im Himmel hadre nicht." Gottes Vorsehung ist wunderbar. Was sind wir
schwache Menschen gegen die Gesetze der Natur. Glücklich der Mensch, der sagen
kann, ich habe den Frieden, den Frieden, den einem diese Welt nicht gibt und nicht
geben kann, ich habe den Heiland in mir und kann zu jeder Zeit ausrufen, ich bin
bereit zu sterben, wenn du es wünschest, denn die geistigen Garben sind reif zur
Ernte für das Jenseits.
Daher ist Ursache vorhanden, sich zu freuen über die Geburt des Geistes aus
dieser Welt in die innere Sphäre des Lebens, ja es ist weit vernünftiger und
passender, bei der Mehrzahl der Heiraten zu weinen, welche in dieser Welt
geschlossen werden, als wehzuklagen, wenn des Menschen unsterblicher Geist seiner
irdischen Form entweicht, um in einem höheren und besseren Vaterlande zu leben
und sich zu entfalten!
Ihr mögt Euch mit dunklen Gewändern der Trauer bekleiden, wenn Ihr am
Altar ein Herz einem lebenden Grabe weiht, oder wenn Ihr die Seele zwingt, in
einer unangemessenen Atmosphäre zu leben; aber schmückt Euch mit Feierkleidem
um des Geltes Geburt in ein höheres Leben zu ehren. Laßt die Menschen nie
jammern blos über das Abscheiden eines Individiums von unserer Erde; denn der
Wechsel, obwohl kalt und freudelos für die materiellen Sinne, ist für die innere
Anschauung und den aufsteigenden Geist gebadet in nur gewöhnlichen Glanz: Für
den erleuchteten Geist gibt es keinen Tod mehr . . . ." Und so wollen wir uns
bestreben, unsern Geist zu veredeln und eingedenk sein, daß Ziel und der Zweck
alles Daseins in der Schöpfung die Vollendung ist, nach welcher wir sowohl selbst
trachten, als auch unseren Mitgeschöpfen nach besten Kräften zu diesem erhabenen
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/sphinx_zo_dog/0266