Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z2a
Sphinx: Zeitschrift für praktischen Okkultismus; Zentralorgan der Deutschen Okkulten Gemeinschaften
Augsburg, 1.1919/20
Seite: 300
(PDF, 83 MB)
Bibliographische Information
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Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
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Wir kamen also vor reichlich zwei Jahren mit Sack und Pack hier an: die
Möbel unserer Städtwohnung und auch unser altes Piano, von« Ihnen, wie Sie sich
noch erinnern werden, cembalo mardendo getauft, verkauften wir, weil doch hier alles
Nötige reichlich vorhanden war. Besonders der Flügel war unser Entzücken, denn
er hat einen herrlichen Ton, wie wir, als wir unseren „Erbsitz" vor der Übersiedelung
besahen, im Beisein des Lehrers und Pfarrers, welch letzterer ein guter Musiker ist
konstatieren konnten. .

Bald waren wir eingewöhnt, und nachdem das Haus von oben bis unten
durchgestöbert und ausgelüftet war, fanden wir endlich Zeit, unsere geliebten
musikalischen Nachmittage und Abende wieder zu genießen.

An einem regnerischen Nachmittag, ich weiß es noch genau, öffnete meine
Frau den Deckel 4es Klaviers, setzte sich und begann den Einzugsmarsch aus Tannhäuser
; wir saßen im Hintergrunde des Zimmers und lauschten; der Ton des Flügels
war weich und entzückte uns sehr. Plötzlich sprang meine Frau vom Stuhle auf, und
mit allen Zeichen großen Entsetzens besah sie ihre Hände, rieb sie und schlug dann
mit den Armen um sich."

„Ja, daß ich damals nicht ohnmächtig wurde", sprach Frau V. weiter, „begreife
ich heute noch nicht. Es war mir unter dem Spielen auf einmar, als ob
eisige Hände meine Finger umklammerten und von den Tasten zerren wollten. Es
war schrecklich! Und so oft jemand von unserer Familie spielen wollte, wurde er
vom Instrument weggezerrt. • Das aber war nicht das Sehlimmste.

In der Nacht nach dem ersten Schreckensnachmittag wurde ich buchstäblich
aus dem Bett gerissen, die Treppen hinunter ins Gartenzimmer und an den Flügel
getrieben wie von einer gewaltigen unsichtbaren Macht; ich weiß nicht, wie es mir
damals und später überhaupt möglich war, in die Tasten zu greifen und die Finger
zu bewegen; es war mir, als flüsterte mir jemand stets ^u, was ich spielen sollte; es
waren immer Begleitungen, zu Arien und Liedern. Und nun, liebstes Fräulein, kommt
das Grauenvollste! Eines Tages probierte mein Mann doch auch einmal wieder,
-Lilly zu einem Schubert-Liede zu begleiten; es war „Du bist die Buh". Lilly öffnete
den Mund und sang — sang mit der gewältigen — Baritonstimme meines verstorbenen
Bruders,, die ich unter Tausenden von Männerstimmen herausgekannt hätte.
Ich schrie auf, Während mein Mann und Lilly wie gebannt waren.

Nach Monaten erst wagten wir, nachdem allmählich ein anderes Mitglied
unserer Familie, von dem unsichtbaren Quäler geweckt und zum Flügel getrieben
wurde, mit dem Lehrer und dem Pfarrer darüber zu sprechen.

Beide beschwichtigten uns und meinten, daß wir eben die Nervosität aus der
Großstadt mitgebracht hätten und die Hochgebirgsluft durch den erhöhten Blutdruck
l>ei uns-wohl eine Zeitlang krankhafte Einbildungen hervorbringen könnte, bis unser
Organismus sich an die Veränderung gewöhnt hätte.

Lilly, die sich an Weihnachten mit dem hiesigen Lehrer aus inniger Liebe
verlobt hatte, ging auf Anraten ihres Bräutigams zu einem Nervenarzt in M. und
auch wir Alten .folgten ihrem Beispiale. Der Arzt lachte uns tüchtig aus, als wir
meinten, es könne doch Überirdisches im Spiele sein bei den uns so hart zusetzenden
Vorkommnissen, gab uns Brom und Veronal, verordnete Duschen und Sonnenbäder,
und die Sache blieb beim alten.

Tagsüber durfte niemand wagen, auf dem Klavier oder einem anderen Instrumente
Musik zu machen, auch nicht zu singen, denn auf das empfindlichste wurden
wir daran verhindert, und des Nachts zu ganz verschiedenen Stunden werden wir
und ganz besonders iehj^als die Schwester des Erblassers, an den Flügel getrieben und
zu Gesangsbegleitungen gezwungen, die meistens von der wie aus der Ferne her tönendon
Stimme meines Bruders oder auch von herrlichen Frauenstimmen angegeben werden."


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