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so viele unzählige verschiedene einzelpersönliche Geister, als es eben
lebende Menschen gibt. Das ist eine tatsächliche Erfah-
r u n g! Das, was wir Seele oder Geist nennen, ist stets an einen ganz
bestimmten individuellen Organismus gebunden. Daher glaubt ein jeder
ganz natürlich so fest an sich, an sein eigenes Ich und selbst. Und
der Naturmensch, welcher beobachtete, wie dieses sich in ihm und aus
ihm hervor speziell betätigende Wesen täglich den Zustand des Schlummers
überdauerte, kam naturgemäß auch zur Vorstellung einer ähnlichen
persönlichen ForUlauer der Seele nach dem Tode des Körpers. Instinkt,
Analogie1 und seltsame Erfahrungen im Traumleben, das sich oft zu
tagwaehen Visionen steigerte, bestärkte die Naturvölker alle in ihrem
Glauben an die Fortdauer der Seele, welcher allerdings nicht über den
Vorstellungskreis ihrer jeweiligen Naturerfahrung hinausreichte, weshalb
sie die abgeschiedenen Seelen immer wieder in ihren irdischen
Lebenskreis hineinzogen und so auf die verschiedenen Seelenwanderungstheorien
verfielen.
Der Verkehr mit den Abgeschiedenen war und ist nachweislich
der erste Anstoß zur Entwicklung aller Religionen. Aller erste
Kult war T o t e n k u 11, Verehrung der Ahnen! Und die
ganze Kroufrage selbst der christlichen Religionen dreht sich um die
Fortdauer der Seele nach dem Tode, welche in der Auferstehungsgeschichte
Jesu typisch und vorbildlich gipfelt. (1. Cor. 15. Kap.)
Das Heil und die Rettung der Seele nach dem Tode zu bewirken,
ist die Hauptaufgabe der christlichen Kirche. Aber*für sie ist diese
Angelegenheit eine reine Sache des Glaubens auf Autoritäten hin, die
sie allein für heilig hält, während die alles bezweifelnde Welt der stets
durch eigene Erfahrung und Experimente überzeugt werden wollenden
Denker und Naturforscher längst diese Autoritäten in Frage gestellt
und somit die Axt an die Wurzel des Glaubensbaumes gelegt hat.
Im theologischen Gebiet ist dies vorzüglich David Friedrich
S t r a u IS mit seiner scharfen Kritik des Lebens Jesu. Er suchte alle
in den Evangelien berichteten Wunder in mythische Erzählungen aufzulösen
und besonders die Auferstehungsgeschichte Jesu damit zu erklären
und zu beseitigen.
Ren au, Noack u. a. sind ihm darin auf verschiedenen Wegen
nachgefolgt und zu demselben Resultat gelangt. Die fromme Orthodoxie
ereifert sich dagegen ganz wirkungslos. Sie bleibt auf ihrem
blinclen Glaubensstandpunkte unverrückt stehen und alle ihre Bibelzitate
prallen machtlos vom Panzer der ungläubigen Kritik ab. Letztere
erklärt mit dem Materialismus übereinstimmend, daß mit dem Tode des
Leibes auch dessen Kraft gebrochen, welche ja nur eine Funktion und
ein Spiel seiner ihn natürlich verbindenden Teile und Atome gewesen
sei. Um ein Bild zu gebrauchen, so gleiche das, was wir Leben und
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