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Aus dem religiösen Gefühl entspringt der religiöse Glaube, welcher
zunächst Sache des Gemütes ist, sich' dann aber zur Erkenntnis aus-
reifen-muß. Paulus bezeichnet den Glauben als allumfassende Tugend
"und meint damit die Vollendung des Glaubens im Leben, wo er Eins
ist mit der vollendeten Sittlichkeit.
Moralische oder sittliche Gefühle sind das Produkt unseres
Gewissens, dessen sich der in uns ruhende Gottesfunke .bedient. Je
nach unserem freien Verhalten knüpfen sich an das Gewissen Zustände
4er Ruhe, der Seligkeit, aber auch der Gewissensbisse und der Reue.
Intellektuelle Gefühle sind mit dem Interesse verbunden, das wir
an der Erkenntnis der Wahrheit und der Wissenschaft nehmen. Hier-
her gehören auch die Gefühle, weiche mit der Feststellung unserer
Überzeugung zusammenhängen.
Aus dem Interesse, das wir an der Idee des Schönen nehmen,
entstehen die ästetischen Gefühle. Den Gegensatz hierzu bilden die
Gefühle, welche das Häßliche hervorrufen.
Wir kennen dann noch das Selbstgefühl, das Gefühl des Stolzes,
des Hochmuts, der Eitelkeit, der Bescheidenheit, das Ehrgefühl, das
Schamgefühl, das Gefühl des Zornes, der Liebe, des Hasses usw.,
welche alle mit ihren mehr oder weniger großen Abstufungen auf dem
Verhältnisse zu uns selbst wie zu unseren Mitmenschen beruhen. Es
kann -jedoch im Rahmen dieser kleinen Plauderei nicht näher auf dieselben
eingegangen werden.
Zum Schlüsse dieser Ausführungen, die nicht im entferntesten
daran denken, einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, sondern
lediglich das Interesse an unserem Seelenleben aufmuntern wollen,
sei mir ein kleiner Seitensprung gestattet, der auch auf „Empfindung"
zurückgeführt werden muß.
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Es dürfte interessant sein,- zu erfahren, was die Leser der
„Sphinx44 empfinden, wenn sie die Artikel des Grafen von und zu
Egloffstein lesen, mit denen unsere Zeitschrift nach meiner unmaßgeblichen
Ansicht allzu reichlich gesegnet ist.*)
Ich für meinen Teil muß gestehen/ daß ich hierbei von den
verschiedensten Empfindungen und zwar vom aufrichtigsten Mitleid
bis zur rachebrütenden Bosheit aufgerüttelt werde. Als ich z. B. las,
wie dieser Herr vor 3000 Jahren die bildhübsche Braut seines Bruders
verführte, bedauerte ich, daß er für diese Freveltat, bei deren Ausübung
er sich in die unmittelbare Nähe der höchsten Gottheit versetzt
fühlte, nicht mit derselben Strafe belegt wurde, wie der steinalte Jude
*) 'Arbeiten dieser Graf Egloffstein'schen Art finden unter Führung des neuen
Verlagsinhabers keine Aufnahme mehr! v Die Schriftleitung. Dt.
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