Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z2a
Sphinx: Zeitschrift für praktischen Okkultismus; Zentralorgan der Deutschen Okkulten Gemeinschaften
Augsburg, 1.1919/20
Seite: 379
(PDF, 83 MB)
Bibliographische Information
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Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



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dahinsausen sah, Goethe legte stets das größte Gewicht auf die
äußere^Erscheinung eines Menschen; ihm war eben diese
Erscheinung der Schlüssel zu dessen Inneren; aus ihr l$s er
den gebändigten Willen, de,n freierschlossenen Sinn und des Herzens
empfängliche Güte,: aber auch die entgegengesetzten Eigenschaften,
Nichtigkeit und Rohheit, leere und platte Alltäglichkeit, mit seinen
wunderbaren Olympier-Augen heraus.

v Nicht Farbe und Schnitt des Rockes oder die Fa§on der Frisur
fielen ihm zuerst ins 4uge, sondern<-die ganze Gestalt, wie sie sich
äußerlich darbietet und zugleich der Spiegel des Inneren ist.

Und in diesem Sinne faßte Goethe, faßten die Deutschen von
damals das Wort Bildung auf. So ist unserm größten Dichter
Hermann, der „wohlgebildcte" Sohn, nicht etwa der gerade gewachsene,
sondern der sich männlich schön darstellende Jüngling.

Und weil so im AMeren das Innere auch zur Geltung kommt,
erfuhr der Sinn dieses Wortes „Bildung" im Laufe der Zeiten jene
Wandlung, bis es, sollen wir sagen-: „emporgeklommen" oder besser:
„herabgesunken*' ist zum Niveau seiner gegenwärtigen ^Bedeutung.
Heutigen Tages verstehen die meisten Menschen unter Bildung ein
Sammelsurium zusammengeraffter Kenntnisse, mit denen bei passenden
Anlässen zu prunken ein Mensch Gabe und Laune besitzt. —

Wenn irgend ein Geck, der tagsüber in einem Konversationslexikon
geblättert, dann am Abend beim Stammtisch das Gespräch auf
das Thema, das er seinem Gedächtnisse eingeprägt, zu lenken versteht,
und dann mit seinen Kenntnissen von der Luftschiffahrt, von den
Nordpölexpeditionen der letzten Jahre, von einem neuerfundenen Sprengstoff
usw. prahlt, dann entringt sich wohl den meisten der Zuhörer
der bewundernde Ausruf: „Welch ein gebildeter Mann!"

Selten dagegen wird es von einem Manne, der artig einer alten
Dame im Straßenbahnwagen Platz macht, der es vermeidet, bei der
allgemeinen Gasthaustafel den Mitspeisenden den Rauch ins Gesicht
zu blasen,; der selbst Höherstehenden gegenüber bescheiden, aber mit
freimütiger Festigkeit seine Meinung äußert, selten, sage ich, wird es
von einem solchen Manne heißen: er ist ein gebildeter Mensch.

Der Takt des Herzens, die ruhige Festigkeit des Wollens, die
bescheidenen Wunder des Auftretens betrachtet man eigentlich kaum
mehr als Ingredienzien der Bildung, ganz zu schweigen von der äußeren
Gestalt, die ja eigentlich nie vom inneren Habitus ganz zu trennen ist.
So sehr hat sich im Laufe der Zeit — von Goethe bis heute — der
Begriff Bildung geändert!

Man betrachte doch nur einmal, um ein konkretes Beispiel anzuführen
, die jungen Leute im Ballsaal, wie hochmutig sie an den Wänden
lehnen und mit gelangweilter oder auch spöttischer Miene auf die


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