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Was will man aber mit einem grofsen Bau anfangen,
wenn nach einer längeren oder kürzeren Zeit andere Anschauungen
Platz greifen, als sie sich jetzt Geltung zu verschaffen
gevvufst haben?
Diese Frage ist wohl berechtigt. Zur Zeit ist man ja
für die grofsen Sanatorien sehr eingenommen, ich bin aber
überzeugt, dafs doch später eine Änderung in der Wertschätzung
derselben eintreten kann.
Schon einmal haben die Sanatorien ungünstigere Beurteilung
gefunden. Brehmer-1) sah recht gut ein, dafs die
Tage der Anstalten gezählt seien, wenn die Gefahr der Ansteckung
wirklich so grofs war, wie mau sie in der ersten
Zeit nach Entdeckung des Tuberkelbacillus schilderte. Von
Brehm er ging daher eine Bekämpfung solcher Ansichten
aus, welche er mit bestem Geschick und in treffender Art
gründlich widerlegte. Es hat aber noch lange gedauert, bis
man sich iu ärztlichen Kreisen auf seine Seite stellte. Gänzlich
ausgerottet sind sie aber immer noch nicht, und im grofsen
Publikum wird das noch viel längere Zeit in Anspruch nehmen.
Solche und ähnliche Krisen werden wohl wiederkehren
(die Anschauungen können sich eben ändern), und zeitweise
oder dauernd der Belegung einer grofsen Anstalt unüberwindliche
Schwierigkeiten bereiten. Die Versicherungsanstalt
Baden sollte daher doch in Betracht ziehen, dafs eine Anzahl
kleinerer Bauten leicht auch anderen, als ursprünglich beabsichtigten
Zwecken nutzbar gemacht werden könnte, während
dies mit einem einzigen ausgedehnten grofsen Gebäude, noch
dazu in relativ einsamer Gegend unmöglich wäre.
Bevor man die grofsen zu verwendenden Mittel in einer
Art festlegt, sollte man lieber neuerdings die verschiedenen
Vorschläge einer eingehenden Prüfung unterziehen. Eine
einseitige Entscheidung, bei welcher mau nur Anhänger und
Vertreter grofser Anstalten in ihrer übertriebeneu Selbstschätzung
als allein kompetent gehört hat, könnte sich
leicht unter Umständen als verhängnisvoll erweisen.
Möge es gelingen, das ist unser aufrichtiger Wunsch,
für die betreffenden Krauken wirklich das Beste zu Stande
zu bringen! —
31) Ätiologie der chronischen Lungenschwindsucht. Berlin 1885.
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