http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/topographisch1872-1/0012
mit meiner Abbildung, die Abänderung, welche die Wirbelsäule in aufrechter
Stellung eingehen würde, zu berechnen.
Von einer genauen Bestimmung der Schwerlinie an der Wirbelsäule
musste bei meinem Präparate ebenfalls abgesehen werden, da der Kopf
nicht in die Lage gebracht worden war, die er beim Lebenden in aufrechter
Stellung für gewöhnlich zur Wirbelsäule einnimmt. Man hätte,
um dies annähernd zu erreichen, eine Unterlage von etwa 1% Zoll
Stärke unter ihm anbringen müssen, wodurch dann auch der Halswirbeltheil
weniger stark vorgetreten wäre. Aber selbst trotz dieses Mangels
lässt sich aus der Abbildung erkennen, dass die Schwerlinie nahe hinter
dem Promontorium und durch die Verbindungslinie der Schenkelköpfe herabgehen
muss, nicht aber soweit zurückgelegt werden darf als es Meyer
gethan hat. Auch Parow ist bei seinen Messungen auf diesen schon von
Weber ausgesprochenen Satz zurückgekommen. Dasselbe Resultat erhält
man bei Betrachtung der Pirogoff&chen Abbildungen.
Ebenso zeigt sich bei Betrachtung der Beckenneigung sowohl
in meiner Abbildung als in den von Pirogoff gegebenen, dass dieselbe
viel beträchtlicher ist, als sie Meyer angibt, und so ziemlich denselben
Winkel zeigt, wie ihn Weber bei seinen Messungen bestimmt hat.
Die Linie, welche den oberen Rand der Schambeinsymphyse mit dem
Promontorium verbindet, bildet mit dem Horizonte einen Winkel von
etwa 60°.
Der zur Wirbelsäule gehörende Bandapparat ist in der Zeichnung
so genau wiedergegeben worden als es möglich war. Lassen sich
auch einzelne Parthieen, wie der zusammengesetzte Bandapparat am Kopfgelenke
, die an den Wirbelkörpern herablaufenden Bänder der Vorder-
und Hinterfläche, auf solchen Durchschnitten nicht detaillirt zur Anschauung
bringen, so erkennt man doch deutlich am proc. odontoiäeus
des 2. Halswirbels das ligamentum transversum mit einer Gelenkhöhle
an der vorderen knorpligen Fläche, gegenüber dem Gelenkspalt zwischen
Atlas, und Zahnfortsatz; ebenso die scharf abgegrenzten durch gelbe
Farbe bezeichneten elastischen ligamenta intercruralia. Die ligamenta
obturatoria postica, welche zwischen Hinterkopf, Atlas und Epistropheus
den Spinalkanal schliessen, haben nicht die elastische Beschaffenheit der
ligamenta flava, sie sind wenig vom darüber liegenden Bindegewebe
unterschieden, deshalb auch in der Zeichnung nicht besonders hervorgehoben
worden. Soweit die Wirbelbögen genau in der Mitte getroffen
wurden, sah man auch nichts von Muskeln bis auf die m. interspina-
les am Halse und einen m. interspinalis am Lendentheile durch das
Zellgewebe durchschimmernd; an dem Rückentheile dagegen, wo der
Schnitt etwas nach rechts zu abwich, Hess sich das flechsenreiche Fleisch
des multifidus und semispinalis erkennen. Der Raum zwischen den Dornfortsätzen
erschien an den übrigen Stellen von Bindegewebe ausgefüllt,
welches den lig. interspinalia und apicum angehört; oben am Halse
vom ligamentum nuchae eingenommen. Der eine m. rectus capitis posti-
cus minor lag frei. An dem unteren Ende der Wirbelsäule erkennt
man das ligamentum sacrococcygeum posticum, welches das Ende des
Wirbelkanales daselbst verschliesst und sich an das hier aus 2 Stücken
bestehende Steissbein ansetzt. Die Bandscheiben zwischen den einzelnen
Wirbeln wurden genau so abgezeichnet wie sie vorlagen. Man
erkennt an einzelnen die Faserung und den Gallertkern ganz deutlich. Es
zeigt sich auch, dass an den beweglichsten Theilen, an der Hals- und
Lendenwirbelsäule, die Scheiben vor und hinten ungleiche Höhe haben,
während sie am Rückentheile gleich stark sind. Während daher am
Brusttheile die Wirbelkörper an ihrem vorderen und hinteren Theile
verschiedene Höhe haben und dadurch die Krümmung der Wirbelsäule
bedingen, zeigen am Hals- und Lendenfneile, als den beweglichen Theilen
der Wirbelsäule, hauptsächlich die Bandscheiben sich vorn stärker
als hinten, bei gleich hohen Seiten der dazu gehörigen Wirbelkörper.
Ueber die Knochen des Brustbeins, und des Schädels ist nichts
besonderes hinzuzufügen. Sie sind durch die Zeichnung genügend
charakterisirt. Die spongiöse Parthie ward genau nach dem vorliegenden
Präparate in die einzelnen Knochen eingezeichnet.
Besondere Mühe erforderte es, die einzelnen Theile des Gehirns
deutlich zur Anschauung zu bringen. Es mussten Durchschnitte an
frischen Gehirnen dazu dienen, die Zeichnung innerhalb der schon festgestellten
Conturen sauber und deutlich zu machen.
Man erkennt gut unter dem Balken den vom Wulst nach vorn
und unten gehenden fornix, die Richtung auf das an der Basis liegende
corpus mammillare einhaltend. Vor letzerem liegt der Trichter, zur
glandula pituitaria im Türkensattel führend; noch weiter nach vorn der
Durchschnitt des chiasma n. optic. Am vorderen Rande des unteren
Ende des fomix liegt die vordere weisse Commissur, hinter dem fornix
der schwarze Spalt des foramen Monroi] dahinter die innere graue
Fläche des Sehhügels mit der grauen Commissur, von dessen oberer
weissen Fläche ein Markstreifen zur glandula pinealis führt, welche
nach unten mit der hinteren weissen Commissur und den 4 Hügeln in
Verbindung steht.
Unter den vier Hügeln liegt der den 3. und 4. Ventrikel mit einander
verbindende aquaeductus Sylvii, dessen vordere Hälfte von den
4 Hügeln, dessen hintere von der valvula cerebelli anterior, mit grauen
Windungen nach oben versehen, bedeckt wird. Der Boden des 4. Ventrikels
im kleinen Gehirn wird von grauer Substanz gebildet, die als
Fortsetzung des grauen Kerns der medulla sich ausnimmt. Durch das
Abgehen der hinteren Stränge der medidla nach dem kleinen Gehirn zu
tritt dieselbe gleichsam zu Tage. In der Brücke erkennt man recht
gut einen weissen Streifen, die durchtretenden Pyramidenfasern, während
die der Oliven zwischen Brücke und kleinem Gehirn hindurcharehen.
Hinter der Brücke sieht man etwas vom angeschnittenen Olivenkern.
Zwischen einzelnen Hirntheilen, welche nicht direkt aneinander stos-
sen, markiren sich die Stellen der grossen Subarachnoidealräume. So
erkennt man einen solchen zwischen dem vorderem (hier oberen) Rande
der Brücke und den corpora mammillaria, einen 2. zwischen Kleinhirn
und Rückenmark am Eingang des Spinalkanales, einen 3. zwischen Wulst
des Balkens und dem Kleinhirne. Dass hier die arachnoidea brückenartig
von einem Hirntheile zum andern überspringt und so das Zelt für
diese Räume bildet, Hess sich bei der Feinheit der arachnoidea in der
Zeichnung nicht wiedergeben.
Von Gefässen wurden ausser der arteria corporis callosi, die am
Knie des Balkens in die Höhe steigt, nur die Venen berücksichtigt,
da letztere vornehmlich ins Auge fielen.
Der sinus longitudinalis superior ist zum grössten Theile freigelegt.
Der sinus longitudinalis inferior, am untern Rande der Sichel, ist nur
an dem durchschimmernden Venenblute erkennbar. Unter dem Wulst
des Balkens steigt die vena magna Galeni empor, um sich in den sinus
quartus zu ergiessen, welcher nur an einem kleinen Stück, bei seiner
Vereinigung mit dem sinus transversus1 getroffen wurde.
Dagegen waren der plexus choroideus des 3. Ventrikels und der
des 4. sehr deutlich und sind auch auf der Zeichnung gut zu sehen.
Die dura mater, welche in der Schädelhöhle fest am Knochen anliegt
und am foramen magnum mit dem äusseren Periost zusammenhängt
, verlässt im Spinalkanale die knöchernen Wände und nähert
sich mehr dem Rückenmark, von dem sie beim Beginn der cauda
equina am 1. Lendenwirbel in der Zeichnung nicht mehr sich unterscheiden
lässt. —
Was die zum Gesicht gehörigen Theile betrifft, so erkennt man
zunächst, dass ein Theil der Nasenscheidewand mit hinweggenommen
worden ist. Woher es kam, dass gerade ein Stück aus der Mitte derselben
nach links hinüber gebogen war, und somit weggeschnitten ward
liess sich nicht feststellen. Ein Polyp als Ursache davon lag nicht vor.
Ich erweiterte den Defekt noch etwas, um das Verhältniss der Schleimhaut
zum septum narium und die beiden oberen Nasenmuscheln der
rechten Seite klar zu Gesichte zu bringen. Rückwärts vom septum zeigt
sich die Ausgangsöffnung der tuba Bustachii. Es ergibt sich ans der
Lagerung der Theile zu einander, dass Instrumente, welche in dieselbe
eingebracht werden sollen, am Boden der Nasenhöhle hintergeschoben
werden müssen um die nothwendige Richtung zu erhalten. Ebenso
zeigt die Abbildung, dass eine Betrachtung der Tubaöffnung mit dem
Kehlkopfspiegel durch Fixirung des Zäpfchens nach vorn und oben
wesentlich erleichtert wird. Die Zusammensetzung der uvula aus Drüsenmassen
und Muskulatur erhellt ans der Zeichnung. Die Stärke
des Zäpfchens muss im Auge behalten werden bei Ausführung der
Staphylorraphie. Man ist geneigt den Dickendurchmesser desselben zu
gering anzuschlagen und findet in solchem Falle dann Schwierigkeiten
beim Anfrischen des Spaltrandes.
Mundhöhle. Vor dem Frieren des Cadavers war Mageninhalt
in den Oesophagus aufgestiegen und hatte so zu einer Erweiterung
desselben und theilweisen Anfüllung der Mundhöhle geführt. Nach
Entfernung der Eismassen Hessen sich die entsprechenden Höhlungen
in der Zeichnung wiedergeben. Bei dem geschlossenen Munde würde
sonst die Zunge fest am Gaumen angelegen haben. Man sieht aber
auch aus dem vorliegenden Präparate, dass die Zunge wie ein muskulöser
Stempel gebaut ist, um den Inhalt der Mundhöhle hin und herzuschieben
. Man sieht ferner den Zusammenhang zwischen Zunge, Zungenbein
und Kehlkopf sehr deutlich. Will man bequem zum Kehlkopf
gelangen, so braucht man nur die Zunge aus dem geöffneten Munde
weit herauszuziehen und wird dadurch den Kehldeckel und mit ihnf den
Kehlkopf nach oben und vorn zu bewegen. Die hier vorliegende Stellung
des Zungenbeins und seiner Nachbarorgane finden sich ebenso m
den Pirogoffsehen Abbildungen, denen kein erhängtes Individuum zu
Grunde lag; man kann sie deshalb als eine natürliche ansehen.
Auch war die Schlinge schon lange vor dem Frieren vom Halse des
Leichnams entfernt worden. An der Zungenspitze erkennt man zwischen
Zunge und Unterkiefer einen kleinen Theil der glandula subungualis
.
Der Kehlkopf ist ziemlich gut in der Mitte getroffen worden, und
bietet bei der Betrachtung keine Schwierigkeiten. Man erkennt die
Durchschnittsflächen des Ring- und Schildknorpels, und zwischen beiden
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/topographisch1872-1/0012