Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., RA gr.2.2014/14-1
Braune, Wilhelm [Hrsg.]
Topographisch-anatomischer Atlas: nach Durchschnitten an gefrornen Cadavern (Text)
1872
Seite: 6a
(PDF, 16 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/topographisch1872-1/0015
TAFEL

IL CA. B.)

Der vorliegende Sagittalschnitt wurde an dem durchaus normalen,
prachtvoll gebauten Korper eines etwa 25jährigen Weibes gemacht, welcher
unmittelbar nach dem Tode (durch Erhängen) auf die Anatomie gebracht
wurde. Die Arterien wurden mit Harzmasse injicirt und der Cadaver dann
sos'leich in genau horizontaler Lagerung auf dem Rucken zum Gefrieren
gebracht, wie der männliche, Tafel I zu Grunde liegende, Körper. Es
wurde ferner dafür Sorge getragen, dass die Glieder genau symmetrisch
lagen, um jede seitliche Krümmung der Wirbelsäule zu vermeiden. Der
Körper war beinhart gefroren, als er mit der feinen Blattsäge der Länge
nach in einem Zuge durchschnitten ward, und behielt seine Härte noch
lange bei, so dass das Durchpausen der Linien auf dem Präparat selbst
mit aller Ruhe und Sorgfalt vollendet werden konnte. Da zur Zeit der
Arbeit gerade Frühling war, mit einer Temperatur in den kellerartigen
Parterreräumen unserer Anatomie von circa + 10° R., so wurde jedesmal
am Abend der Rumpf in eine neue Kältemischung gebracht, und dadurch
im fest gefrorenen Zustande erhalten, bis die Auszeichnung der Pause
vollendet war, was ungefähr 14 Tage in Anspruch nahm. Am aufgethauten
Präparat ward dann erst das Einzelne vollendet. Ausserdem wurde nach
frischen Schnitten die Detailzeichnung an einzelnen Stellen vervollständigt,
wovon weiter unten genauere Rechenschaft abgelegt werden soll. Das
ganze Beckenstück kam später in Spiritus, so dass sich, die Schnittfläche
successive mikroskopisch untersuchen liess, und die Grenzen der Schleimhaut
, der glatten und quergestreiften Muskelmassen sichere Bestimmung
erfuhren. Denn es ist auch von Anderen schon nachgewiesen worden, dass
die Betrachtung mit unbewaffnetem Auge in dieser Beziehung ungenügend
ist, dass daher auch manche sonst treffliche Abbildungen der Beckengegend
fehlerhafte Bestimmungen der Muskelzüge enthalten.

Der uterus befand sich im Zustaiule der Schwangerschaft
und zwar am Ende der 8. Woche. Sämmtliche Organe erwiesen sich
als normal. Magen und Därme waren ziemlich leer; das colon transversum
durch Luft mässig ausgedehnt, das rectum wenig aber gleichmässig mit
Koth gefüllt, die Blase contrahirt und leer. Auch bei dem Transport des
Cadavers war kein Urin aus der Blase ausgeflossen, derselbe musste also
schon vor dem Tode entleert worden sein.

Der Schnitt, welcher von unten nach aufwärts geführt wurde, um vornehmlich
das Beckem genau in der Mitte zu schneiden, war im Ganzen gut
gelungen. Die Gelenkhöhle der Symphysis ossium pubis war geöffnet, sowie
die Harnröhre und der unterste Theil des rectum. Dagegen war der uterus,
der etwas nach links geneigt war, in seiner rechten Hälfte geschnitten,
jedoch so nahe an der Mittellinie, dass ein flacher Scheerenschnitt genügte,
um den canolis cervicalis in seiner ganzen Länge frei zu legen.

Der Spinalkanal ward zwar durchgängig eröffnet, jedoch nicht der
ganzen Länge nach in der Mitte getroffen. Man erkennt aus dem Verhalten
des Rückenmarks, dass von dem unteren Ende des thorax an die Wirbelsäule
rechts neben der Mittellinie geschnitten ward; und aus dem Verhalten
der grossen Gefässe des abdomen, dass die Theilungsebene das Zwerchfell
zwischen foramen quadrüäterum und liiätus adrticus traf. Die untere Hohlvene
ist mit der rechten Körperhälfte vollständig hinweggenommen worden,
nur an dem Durchschnitte der vena üiaca sinistra liegt noch ein flacher
Abschnitt des Stammes; die aorta abdominalis dagegen ist vollständig
erhalten und nur die rechte artend üiaca communis abgeschnitten. Leider
ist durch ein Versehen eine falsche Bezeichnung der vena üiaca communis
stehen geblieben. Es muss heissen: arteria üiaca communis dextra, und
der hinweisende Strich bis zur Arterie gehen, oder bei der jetzigen Länge
des Striches vena üiaca communis sinistra geschrieben Averden.

In der Brusthöhle und am Halse hielt die Säge genau die Mittellinie
ein. Von den Lungen war nichts zu erkennen; keine von beiden Pleurahöhlen
war eröffnet worden. Von der Zunge brauchte nur eine dünne
Scheibe abgetragen zu werden, um die Mitte zu erhalten. Dagegen war

das grosse Hirn nicht günstig getroffen worden, so dass noch ein 1j% Centi-
meter starkes Stück vom Schädeldache hinweggenommen werden musste,
um den sinus longitudinalis zu finden, und das, inzwischen mit Spiritus
gehärtete, Gehirn genau zu halbiren.

Ich habe schon bei Besprechung der Tafel I erwähnt, dass ich dadurch
von der Methode Pirogoff's abgewichen bin, dass ich nicht jeden Körper
benutzte, der mir unter die Hände kam, sondern dass ich nur ausgesucht
schöne und normale Cadaver (von Selbstmördern) zu Schnitten benutzte,
dass ich ferner nur an den für Durchschnitte ergiebigsten Regionen einging
, endlich, dass ich beim Zeichnen nicht überall peinlich genau verfuhr,
sondern eben nachhalf, soweit dies möglich war, ohne der Natur Gewalt
anzuthun. Da stets angegeben wurde, was nachträglich noch geändert
worden ist, und das Durchpausen auf dem Präparate selbst und die Auszeichnung
mit grösster Gewissenhaftigkeit vollendet ward, so ist der
Wahrheit der Darstellung dadurch nicht Abbruch geschehen.

Ehe ich auf die Hauptsache dieser Tafel eingehe, und die Beckeneingeweide
bespreche, will ich kurz die nothwendigen Notizen über die allgemeinen
Körperverhältnisse geben, und zunächst mit der Wirbelsäule
beginnen.

Die Wirbelsäule zeigt eine sehr schöne schlangenförmige Krümmung,
die sich von der auf Tafel I dadurch sehr vortheilhaft unterscheidet, dass
in Folge der weniger stark hinten übergebeugten Kopflage die Halswirbel
nicht so weit vortreten. Ebenso biegt die Rückenwirbelsäule nicht so bedeutend
nach hinten aus, und geht daher auch allmählicher in die Convexität
der Lendenkrümmung über. Die Schwerlinie, von der Gegend des Kopf-
und Atlasgelenks angefangen, am hinteren Rande des Zahnfortsatzes, berührt
den letzten Halswirbel und die ersten Brustwirbel (während sie auf
Tafel I die 3 letzten unteren Halswirbelkörper traf) und schneidet weiter
unten dicht hinter dem Promontorium durch. Also auch hier fand sich eine
Bestätigung dieser Weber sehen Angabe, wie bei Tafel I.

Die Beckenneigung beträgt 58°, also weniger als die des Mannes auf
Tafel I, welche G0° hatte, ist aber immerhin noch eine ziemlich starke
zu nennen.

Charakteristisch für die weibliche Wirbelsäule ist die geringere Prominenz
des Promontorium gegenüber der starken hei dem männlichen
Rumpfe, sowie die bedeutend steilere Haltung der Schaambeinsymphyse.
Es ist ersichtlich, dass durch dieses Verhältniss die Bedingungen viel
günstiger für die Austreibung des Kindes geworden sind, welches am Promontorium
sowie an der steileren Fläche der Schaambeinsymphyse leichter
abwärts gleiten kann, als bei der so horizontal gestellten Symphysenfläche,
wie sie Tafel I zeigt.

Die conjugata war sehr gross, sie hatte 120 Millimeter. Das Becken
überhaupt war wreit, aber sonst regelmässig gebaut.

Lieber den Kopf ist nicht viel zu bemerken. Die einzelnen Theile
geben die Ergänzung zu Tafel I, welche hierbei verglichen werden möge.
Es traf sich sehr glücklich, dass der Mund fest geschlossen war, so
dass die 2 sichtbaren Schneidezähne wie 2 Scheerenblätter übereinander
griffen. Die Zunge lag wie ein muskulöser Stempel fest an hartem und
weichem Gaumen an. Der Oesophagus, welcher nur stellenweis etwas
aufgetretenen Mageninhalt enthielt, liess sich zwar in ganzer Länge abzeichnen
, ist jedoch durch die Schattirungen nicht genügend in seiner
ursprünglichen Lage wiedergegeben. So ist am 3. Brustwirbel der
Schatten nicht intensiv genug, um die tiefe Aushöhlung an dieser Stelle
zu bezeichnen. Dagegen erkennt man in der Höhe des 6. und 7. Brustwirbels
an dem flachen und schmalen Abschnitte, dass er daselbst mehr
in die rechte Körperhälfte hinüberragte als höher oben, so dass sein
Traktus eine flache S-förmige Krümmung in frontaler Ebene bildet.

Vor der trachea erkennt man den Durchschnitt der ziemlich stark
vergrösserten Schilddrüse, die auch eine schwache Vorwölbung der


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