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Ich war nicht im Stande, einen schönen jungfräulichen Körper für
meine Durchschnitte zu erhalten; ebensowenig gelang es mir, Leichen zu
bekommen, die mit ausgeprägten Stellungsanomalien des uterus behaftet
waren. Da es von hohem praktischen Interesse ist, Durchschnittszeichnungen
derselben mit der vorliegenden Tafel zu vergleichen, so gebe ich
eine Reihe von Copien in verkleinertem Maassstabe nach Le Gendre
und Pirogoff, und hoffe dadurch, diese Lücke wenigstens so weit es möglich
ist, auszufüllen.
Fig. 1. (Jadaver virg'int's, 18 annorum.
Le Genclre, Anatomie homalographt'que, Paris 1868. PL 17. 1/2.
Ii uterüs. 2.vesica. 3. rectum. 4. Symphysis.
Die Blase enthielt nach Le'.Gendres Angaben 731 Cubikcentimeter
Urin. Das Bauchfell war beim Uebergang auf die Blase 50 mm. von
der Symphyse entfernt; die Entfernung desselben hinter dem uterus vom
perinaeum betrug 52 mm. Die conjugata mass 105 mm., die Scheidenlänge
60 mm.
Obgleich nach meinem Dafürhalten hier ein entschieden atrophischer
uterus abgebildet ist, so musste doch diese Abbildung genommen werden,
da ich vergeblich nach einer besseren suchte. Die ausgedehnte Blase
hat das Bauchfell weit von der Symphyse abgehoben, und den uterus
nach aufwärts und rückwärts geschoben. Zwischen demselben und dem
rectum sind keine Dünndarmschlingen sichtbar.
Fig. 2. Cadaver mulieris. Vesica urinaria et Urethra liquore congelato extensae.
Pirogof, III. A. 32, Fig. 20. %
1. uterus. 2. vesica. 3. rectum. 4. Symphysis.
Leider ist von P. nichts weiter zu dieser Abbildung bemerkt worden,
als dass Urinblase und Urethra stark ausgedehnt worden seien, um die
anatomischen Verhältnisse für den hohen Steinschnitt und Vestibular-
schnitt zu demonstriren. Die mächtig ausgedehnte Blase hat das peri-
tonaeum 35 mm. weit von der Symphyse abgehoben, und unter Ausdehnung
der vorderen Wand der vagina den uterus nach aufwärts und
rückwärts gedrängt. Die conjugata misst 102 mm., entspricht also so
ziemlich der in Fig. 1. Das rectum ist leer und contrahirt. Auch hier
sind keine Dünndarmschlingen hinter dem uterus zu sehen.
Wie beträchtlich der uterus mit der Anfüllung und Entleerung der
Blase seine Lage ändert, wie er bei der Urinentleerung der Anteversions-
stellung sich nähernd herabsteigt und im entgegengesetzten Falle auch
eine entgegengesetzte Bewegung ausführt, kann man sehr gut am
Cadaver demonstriren, wenn man in dem aufgerichteten Becken, ans
welchem die Dünndarmschlingen genommen sind, einen leichten Zeiger
an dem fundus uteri anbringt und dann die Blase abwechselnd entleert
und wieder anfüllt. An dem lebendigen Individuum fühlt man, beim
Abnehmen des Urins, mit dem eingebrachten Finger ganz deutlich, wie
der uterus herabsteigt. Man wird leicht noch weitere Controllversuche
in dieser Beziehung anstellen können, wenn man brauchbare Individuen
zur Disposition hat.
Die Länge der vagina betrug bei der PirogoffJsehen Abbildung
70 mm., während sie bei dem Fig. 1 zu Grunde liegenden Körper nur
GO mm. mass.
Fig. 3. Cadaver mulieris, 35 annorum, normale. Vesica vacua. Rectum extensum.
Pirogof, III. A. 21, Fig. 3. %.
1. uterus. 2. vesica. 3. rectum. 4. Symphysis.
Der Schnitt bei Fig. 3 ist zwar nicht genau durch die Mitte des
Skelets gegangen, hat auch nicht die Aftermündung und Urethra getroffen
, dafür aber den uterus halbirt.
Man hat hier das Gegenstück zu Fig. 2, nämlich eine leere Blase
bei stark ausgedehntem. Mastdarm. In Folge davon nimmt auch der
uterus mit der vagina, eine andere Stellung ein. Während er in I ig. 2 mit
seiner Richtung der Achse der vagina folgte, bildet er hier mit derselben
einen stumpfen Winkel, ohne jedoch antevertirt zu sein. Zwischen uterus
und rectum lagen keine Dünndarmschlingen. Die conjugata betrug
110 mm.
Der uterus (Fig. 4) mit den dazu gehörigen Theilen war normal, und
lag zwischen mässig ausgedehntem rectum und Blase. Auch hier fanden
| sich keine Dünndarmschlingen hinter dem uterus. Man sieht daher, dass
I bei den verschiedensten Füllungsgraden von Blase und Mastdarm der
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