Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., RA gr.2.2014/14-1
Braune, Wilhelm [Hrsg.]
Topographisch-anatomischer Atlas: nach Durchschnitten an gefrornen Cadavern (Text)
1872
Seite: 9a
(PDF, 16 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/topographisch1872-1/0021
TAFEL III.

Pirogoff hat in seinem schon wiederholt Charten Werke nach den
drei Richtungen des Raumes Schnitte durch den menschlichen Körper
geführt, und danach versucht, die Gestaltung desselben festzustellen.
Man kann gleich von vornherein erwarten, dass ein solches Verfahren
bei geometrischen Körpern wohl genügt, den organisirten gegenüber
aber nicht ausreichend ist, auch wenn man durch möglichst dünne
Scheiben die Schnitte sehr zahlreich machen würde. Bei Organismen
leisten gerade Schrägschnitte an einzelnen Stellen vielmehr als reine
Sagittal-, Frontal- und Transversal schnitte.

Dieser Fall tritt ganz besonders beim Auge ein. Will man hier
nicht blos die Verhältnisse des bulbus geben, sondern die Nachbarschaft
mit berücksichtigen, so muss man darauf ausgehen, den Zusammenhang
des Auges mit dem Sehnerven möglichst weit nach dem Gehirn hinauf
zur Darstellung zu bringen. Es ist nur von untergeordnetem Interesse
zu bestimmen, in welcher Horizontalebene hinter der Augenhöhle die
einzelnen Theile des Schläfenlappens liegen.

Um nun dem Verlaufe des Sehnerven zu folgen, muss man, wie
schon die Verhältnisse am Skelett zeigen, von der Mitte des Augapfels
schräg nach aufwärts schneiden. Diesen Weg hat denn auch bereits
früher schon Sömmering eingeschlagen, und in seiner Monographie (De
oculorum hominis etc. sectione horizontali commentatio. Gotting ae, 1818)
eine viel brauchbarere Abbildung gegeben, als sie im Pirogoff'sehen
Atlas (fasc. I. Tab. 3.4. 5.) vorliegen. Wie aus dem Werke Sömmering's
hervorgeht, nimmt er die Bezeichnung horizontal nur im Allgemeinen
als Gegensatz zu Längsschnitten, ohne damit sagen zu wollen, dass er
sich wirklich mathematisch genau in einer Horizontalebene gehalten habe.

Ich habe es für erspriesslich gehalten, in ähnlicher Weise wie
Sommering zu verfahren, und meinen Schnitt ziemlich stark nach hinten
zu ansteigen lassen. Ich überzeugte mich durch eine grosse Reihe von
Schnitten, dass man durchaus nicht im Stande ist, genau anzugeben, in
welcher Lage der nervus und tractus opticus durch die Säge zu treffen
ist. Die individuellen Verschiedenheiten der Schädelbasis sind zu gross,
um solche Bestimmungen zu gestatten. Nur soviel liess sich feststellen,
dass vom chiasma ab der tractus opticus noch bedeutend steiler zu den
Vierhügeln hin aufsteigt, als dies der Sehnerv nach dem foramen opticum
schon thut.

Ich war daher nicht im Stande, den tractus opticus in seiner Ge-
sammtlänge mit dem nervus opticus zugleich freizulegen, sondern habe
mir dadurch helfen müssen, dass ich nachträglich noch eine flache
Scheibe von den vorderen Hirnlappen hinwegnahm, um das chiasma
vollständig freizulegen. Ebenso musste eine dünne Fettschicht aus der
Augenhöhle noch entfernt werden, um den Sehnerven in seiner ganzen
Breite sichtbar zu machen, da der Schnitt an seiner oberen Grenze verlaufen
war.

Es muss ferner erwähnt werden, dass, wenn auch die äussere
Form des bulbus festgehalten wurde, doch das Verhältniss
der Linse zur Iris nach weiteren Schnitten eingetragen ward.
Die feinen Spähne, die jede auch noch so dünne Säge erzeugt, lassen
sich nur schwer entfernen, ohne an einzelnen Organen des Auges Lageveränderungen
hervorzurufen. Ich liess daher frische Augen mit der
orbita frieren, sägte die Knochenlinien vor und vollendete dann den
Schnitt durch den bulbus mit einem Rasirmesser. In allen Fällen war
vorher das Auge mit der von Thiersch angegebenen Leim- und Carmin-
masse vollständig injicirt worden, um dadurch dem bulbus seine Spannung
wieder zu geben. Und zwar ward die Injektion von der Ophthal-
mica aus vorgenommen, während bei dem Schädel, der im Ganzen

zerschnitten ward und Tafel IV zu Grunde liegt, von der carotis aus die
Arterien und von der jugularis aus die Venen mit verschieden gefärbter
Masse vollständig injicirt worden waren.

Der Kopf gehörte zum Leichnam eines 16jährigen Mädchens, welches
sich erhenkt hatte. Es fanden sich nirgends pathologische Veränderungen
; auch kam der Leichnam noch im frischesten Zustande auf
die Anatomie.

Man erkennt schon aus den Verhältnissen des Gehirns die schräg
nach hinten aufsteigende Richtung des Schnittes. Während vorn durch
die Entfernung der dünnen Scheiben vom vorderen Lappen, ein Stückchen
vom Boden der vorderen Schädelgrube bis zur Gegend der crista
gallizu sehen ist, und dahinter das chiasma nervorum opticorum mit noch
einem Stück der schräg abgeschnittenen tractus n. optici, erblickt man
hinten den Balken in der Nähe seines Wulstes durchschnitten. Die
oberen Ausläufer desselben, die sich in die weisse Marksubstanz des
Gehirns verlieren, stellen die kleine Zange dar; die schnabelförmigen
Ansätze nach unten zu gehören äemfornix an. Nach aussen zwischen
beiden zeigen sich roth gefärbt die nach den unteren Hörnern ziehenden
plexus choroidei. Unter der weissen Masse des Balkens liegt ein mit
Gefässen angefüllter Spalt, welcher in der Mitte die glandula pinealis,
seitlich davon die Sehhügel abgrenzt. In diesem Spalte zieht die gefäss-
tragende pia mater unter dem Balken weg nach den Centraltheilen des
Gehirns. Man erkennt in der Mitte zwei starke Venenlumina, den grossen
inneren Hirnvenen (Vena magna Galeni) angehörig, die sich mit der
Sonde unter dem splenium corporis callosi hinweg zu der grossen Vene
hinter dem Balken verfolgen Hessen, dem Anfange des sinus quartus1
und dort mit den beiden sichtbaren Oeffnungen einmündeten. Die grosse
Hirnsichcl verbindet den in den sinus quartus mündenden sinus longi-
tudinalis inferior mit dem weiter nach hinten liegenden sinus longitudi-
nalis superior.

Nach vorn zu präsentirt sich das freigelegte chiasma nerv, opticorum
und die durch den Schnitt schräg getrennten tractus n. opticorum^ die
demnach noch steiler anstiegen als die Schnittebene. Innen an sie
grenzen die grau markirten nuclei lentiformes, hinter denselben liegen
die leicht grauen, mit weisser Masse durchsetzten Schnittflächen der
Sehhügel. Zwischen ihnen in der Mittellinie befindet sich ein Spalt, der
unterste Theil des dritten Ventrikels.

Zu beiden Seiten des chiasma steigen die Enden der arteriae caro-
tides internae auf; die ophthalmicae sind nicht sichtbar; sie treten unter
den Sehner ven in das foramen opticum ein. Den Abgang der arteria
corporis callosi kann man auf der einen Seite noch wahrnehmen, auf der
anderen ist er mit hinweggenommen; die lumina gehören somit den
arteriae fossae Sylvii an.

Die Augenhöhlen wurden von der Mitte ihrer Basis an nach rückwärts
so geschnitten, dass die Säge über dem foramen opticum
hin weglief, dasselbe mithin nicht eröffnete. Die Augenlider waren
ziemlich geschlossen , so dass von den oberen an beiden Enden nur ein
Stück in die Schnittfläche fiel; und das untere vollständig unberührt
blieb. Der bulbus ward fast genau in der Mitte getroffen. Die Säge trat
an beiden Augen an der oberen Grenze der Sehnervenpapille aus.

In der orbita, brauchte nur eine dünne Schicht entfernt zu werden,
um die Sehnerven sichtbar zu machen. Dieselben liegen somit nicht
im Durchschnitte vor uns. Sie zeigen eine schwache Krümmung,
die, wie die weitere Untersuchung zeigte, auch mit einer Abbiegung
nach abwärts verbunden war, so dass sich eine schwach S-förmige
Gestalt herausstellte, die Form der Erschlaffung beim ruhenden Auge.


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