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TAFEL IT.
Der auf der vorliegenden Tafel abgezeichnete Durchschnitt ist nicht
in senkrechter Richtung zur Längsachse des Körpers geführt worden
wie die übrigen, sondern verlief, um die Verhältnisse des Gehörorgans
möglichst gut zur Ansicht zu bringen, in schräger Richtung nach hinten
und oben. Er begann hart unter der Nase und traf auf seinem Wege nach
der äusseren Ohröffnung die unteren Muscheln, den obersten Theil des
Schlundkopfes, die rechte tuba Eustachi, die Paukenhöhle und den äusseren
Gehörgang, schnitt die Brücke und die obere Hälfte des Kleinhirns und
trat oberhalb der protuberantia occipitalis externa durch die hinteren Lappen
des Grosshirns aus. Der Kopf war von dem frischen Cadaver eines jungen
Mannes genommen, der sich erhängt hatte, und zeigte keine Abnormitäten.
Dass der Schnitt in der hinteren Hälfte links höher verlief als rechts, so
dass er nahe an der Decke der linken Paukenhöhle durchging, während er
sich rechts dem Boden derselben näherte, hatte seinen Grund mit An der
Sägeführung, jedoch überzeugte ich mich bei weiteren Schnitten, dass man,
wenn man auch jedes Abweichen der Säge aus der Richtungslinie vermeidet
, doch nicht im Stande ist, ein vollständig symmetrisches Bild zu
erhalten.
Von hauptsächlicher Wichtigkeit auf dieser Tafel sind die Verhältnisse
des rechten Gehörorganes, welches so glücklich getroffen wurde,
dass nicht nur der äussere Gehörgang mit der Paukenhöhle, sondern auch
der Anfangstheil des Eustachischen Kanales in die Schnittfläche fiel. Es
gelang mir nicht wieder die Theile in dieser Ausdehnung zu treffen, trotzdem
dass ich mehr als 12 Durchschnitte in gleicher Richtung anfertigte, da
bei der individuellen Verschiedenheit der Schädelbasis auch die Richtung
des Eustachischen Kanales variirt, sich daher auch keine absolut sicheren
Orientirungspunkte für das Durchschneiden angeben lassen.
Da das Hauptsächliche oberhalb des Schnittes lag, so wurde
abweichend von dem in den übrigen Abbildungen herrschenden Prinzipe
die obere Schnitthälfte abgezeichnet, so dass man von unten nach
oben in den Schädel hinein sieht; daher denn auch die vom Beschauer
rechts liegenden Theile der linken Körperhälfte angehören, und umgedreht
. Bei der Besprechung der einzelnen Organe werden daher das
linke Ohr, die linke Nasenhöhle u. s. w. auf der rechten Seite der Abbildung
aufgesucht werden müssen.
Bei der Betrachtung des rechten Gehörorganes sieht man die obere
Halbrinne des ä u s s e r e n Ganges, und erkennt seine Zusammensetzung
aus einem knorpligen, häutigen und knöchernen Theile. Man sieht ferner
den Zusammenhang des knorpligen Theiles mit dem Knorpel der Ohrmuschel
, sowie die Spalten im Knorpel des Ganges selbst als Lücken
zwischen einzelnen Knorpelstückchen. Durch diese Anordnung ist dem
Eingangszeile eine grosse passive Beweglichkeit gegeben, die sowohl
bei Kaubewegungen als beim Anziehen der Ohrmuschel kenntlich wird.
Die flache nach vorn zu offene Krümmung des Ganges lässt sich daher
durch Rückwärtsziehen der Ohrmuschel verringern und somit das Trommelfell
der Untersuchung zugänglicher machen.
Bemerkenswertli erscheint, dass die Krümmung des äusseren Gehörganges
sich geringer darstellt und nicht die stark winklige Knickung
zeigt, als man sie bei Durchschnitten an weichen Präparaten erhält, und
abgebildet hat Bei der Untersuchung am Lebenden sowie in den Piro-
^o/'schen Abbildungen, die gleichfalls nach gefrorenen Präparaten
angefertigt wurden, (a. a. O.fasc. I. Tab. VI.) zeigt sich dasselbe, so dass I
ich, trotz der mannigfachen individuellen Verschiedenheiten die in dieser
Beziehung der meatus externus darbietet, annehmen muss, dass die Theile
beim Durchschnitt eines nicht vollständig erhärteten Cadavers ihre
ursprüngliche Lage nicht unwesentlich verändern.
Es ist bekannt, dass der Kanal ausser dieser Krümmung
von vorn
nach hinten, auch noch eine von oben nach unten zu zeigt, so dass eine
gewundene Gestalt herauskommt. Natürlich liess sich dies Verhältniss
bei dem vorliegenden Schnitte nicht in hinreichender Deutlichkeit darstellen
, wenn auch durch die stärkere Schattirung des inneren Theiles
angedeutet wird, dass die obere Wand des Kanales nach hinten zu etwas
in die Höhe steigt, somit die Halbrinne in der Gegend des Trommelfells
tiefer ist als weiter nach aussen zu.
Das Trommelfell wurde in seiner unteren Hälfte zerschnitten,
daher die Gehörknöchelchen unverletzt erhalten. Man erkennt die Richtung
und Lage dieser Membran in einer nahezu horizontalen Ebene, ebenso
die nabeiförmige Einziehung nach der Paukenhöhle hin und einen Theil
des daran liegenden Hammerhandgriffes. Die Gehörknöchelchen Hessen
sich auf dem Steine nur sehr schwer wiedergeben, es wurde daher in
3mal vergrössertem Maassstabe eine genaue Zeichnung angefertigt, und
dieselbe im Holzschnitte am Schlüsse hinzugefügt.
In der Tiefe der Paukenhöhle sieht man von vorn nach hinten einen
knöchernen AVulst verlaufen der dem semicanalis und canalis Fallopii'angehört
; nach hinten zu vom Steigbügel sieht man im Knochen den Durchschnitt
des letzteren Kanales und darin den nervus facialis. Dieses starke
Vorspringen des Kanales an der Decke der Paukenhöhle ist ein charakteristisches
Merkmal für jugendliche Individuen.
Medianwärts vom Steigbügel liegt das geöffnete vestibulum. Von der
Schnecke war auf dieser Seite nichts zu erkennen; sie lag oberhalb des
Schnittes.
Nach innen und vorn von der geöffneten Paukenhöhle liegt die arteria
carotis interna, vor dem Uebergang zur ersten Krümmung getroffen,
daher auch quer geschnitten. Vor der carotis, der Eustachische
Kanal; vorn flach beginnend, nach hinten zu in die Tiefe gehend. Er
verlief demnach noch steiler nach hinten zu aufwärts als die vom Naseneingange
nach dem Ohrloche schräg angelegte Schnittebene. Der Schnitt
traf sein ostium pharyngeum, legte seine Höhlung eine Strecke weit frei, traf
aber nicht mehr seinen knöchernen Antheil. Daher ist von dem lateralen
Tubenknorpel, dem Rüdinger''sehen Haken, nur ganz vorn ein Stückchen
geschnitten, während der grössere Medianknorpel eine längere Strecke weit
frei liegt. Die laterale Begrenzung des Kanales bildet daher auch zum
grössten Theile nur die drüsenreiche mächtige Schleimhaut, Zellgewebe,
und ein Theil des musculus tensor veli palatini, dessen Ansatz nach hinten
zu bis zur spina angularis des Keilbeins verfolgt werden konnte. Von
dem m. levator veli palatini war nichts zu sehen. Der Schnitt war oberhalb
desselben durch den Tubenknorpel hindurchgegangen.
. Dass der m. tensor veli palatini auch zugleich ein dilatator tubae ist,
und beim Schlingen jedesmal den lateralen Knorpel abhebt und dadurch
den Kanal öffnet, ist wiederholt nachgewiesen worden.
Sehr schöne Darstellungen der tuba verdanken wir Büdingen dessen
Atlas des menschlichen Gehörorganes (München 1867) hierbei verglichen
werden muss.
An der Medianseite der tuba, die etwa 15 mm. von der hinteren Wand
des Schlundkopfes nach vorn zu vorspringt, erkennt man deutlich die nach
innen zu vorspringende Lippe, Tubenwulst, und hinter derselben die Eosen-
müll er'sehe Grube (recessus infundibuliformis Tourtual). Die an Drüsen
so reiche Schleimhaut des Schlundkopfes hängt continuirlich mit der
Schleimhaut der tuba sowie der Nasenhöhle zusammen, und zeigt vor dem
Hinterhauptsbeine oft zahlreiche blinde Aussackungen und Vertiefungen,
die auf der Zeichnung nur angedeutet werden konnten. Die Schleimhaut
wurde beim Uebergange zur Decke des Schlundkopfes getroffen, oberhalb
der musculi recti capitis antici.
Aus der Lage der tuba zu dem proc. pterygoideus und der unteren
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