Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., RA gr.2.2014/14-1
Braune, Wilhelm [Hrsg.]
Topographisch-anatomischer Atlas: nach Durchschnitten an gefrornen Cadavern (Text)
1872
Seite: 11a
(PDF, 16 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/topographisch1872-1/0025
TAFEL Y.

Die vorliegende Tafel sowie die folgenden, No. VI., VII., VIII.,
enthält Abbildungen, welche die Durchschnitte eines und desselben Cadavers
wiedergeben. Die Halsgegend wurde in 5 Scheiben zerlegt, von
denen die obere Seite abgebildet und analysirt worden ist, so dass man
von oben nach unten in den Körper hineinsieht und zur rechten Seite der
Abbildung auch die rechte Seite des Präparates hat. Durch dieses Zerlegen
in Scheiben war allerdings die Deutung der einzelnen Umrisse bedeutend
schwerer geworden, als wenn man an verschiedenen Cadavern die
Schnitte gemacht hätte. Bei sehr dünnen Scheiben namentlich liess sich
die Nackenmuskulatur schwer verfolgen und bestimmen. Dagegen gewährt
dieses Verfahren den grossen Vortheil, dass die untere Fläche jeder
Scheibe stets auf die obere der nächst folgenden passt, und dass auch die
einzelnen Organe, wie Schilddrüse und Kehlkopf, welche ziemlich grosse
individuelle Verschiedenheiten in Bezug auf Grösse und Lage zeigen, 'in
entsprechende und auf einander passende Querschnitte zerlegt werden
konnten.

Der Cadaver war ganz frisch, zeigte keinerlei Abnormitäten, hatte
vielmehr die schönsten Proportionen und eine prachtvoll entwickelte Muskulatur
. Der Mann stand im Alter von 25 Jahren, als er sich durch Ertränken
selbst den Tod gab. Nachdem die Arterien injicirt worden waren,
ward der Rumpf, von dem nur die unteren Extremitäten abgenommen
wurden, in möglichst horizontaler Lage mit glatt an die Seiten gelegten
Armen, in den Eiskasten gebracht, und 3 Tage und Nächte lang einer
Temperatur von —18° R. ausgesetzt. Darauf wurden die Scheiben mit
einer feinen Blattsäge geschnitten und so lange im hartgefrornen Zustande
erhalten, bis die Auszeichnung vollendet war. Die Ausführung ward in
gleicher Weise durchgeführt, wie oben beschrieben worden ist.

Da das Individuum in Folge der kräftigen Muskulatur einen sehr
hohen Rand der Schultern hatte, so war dem entsprechend der Hals ver-
hältnissmässig kurz. Man wird sich daher nicht wundern, dass die Durchschnitte
bei gleicher Wirbelhöhe ganz andere Bilder in Beziehung auf die
Schultergegend zeigen, als die Abbildungen von Pirogoff, fasc. I, Tab. 11,
denen weniger kräftige Individuen zu Grunde lagen.

Figur 1 entspricht ungefähr den Abbildungen von PirogojJ, fasc. I,
Tab 9. Fig. 1; und Henke Tafel 70, Fig. 2. Der Schnitt ging durch den
Mund, verlief etwas oberhalb der Kaufläche, traf den weichen Gaumen und
dann den processus odontoideus des zweiten, sowie die Seitenmassen des
ersten Halswirbels, und trennte am hinteren Rande des foramen magnum
ganz dünne Platten vom Kleinhirn ab. Man sieht bei Vergleichung mit
Tafel I, dass der Schnitt schräg nach hinten und oben verlief, was dadurch
zu Stande kam, dass der Kopf durch die Lagerung des Rumpfes etwas
nach hinten übergebeugt war. Man wird demnach diese Verhältnisse bei
Uebertragung auf den Lebenden zu berücksichtigen haben. Bei gewöhnlicher
aufrechter Haltung führt eine durch die Kaufläche gelegte Horizontalebene
durch den 2. Halswirbel und trifft gar nichts vom Schädel.

Nach Reinigung des Präparates, wobei auch die abgesägten Kronen
der oberen Zahnreihe mit entfernt wurden, zeigte sich, dass von dem
Zun gen rücken ein flacher Bogen entfernt worden war. Die Zungenspitze
war vorn hinter den Zähnen liegen geblieben. Nach hinten war der Schnitt
Ii/ Zoll vor dem foramen coecum ausgetreten. Die Papillen, welche an
der hinteren Schnittfläche zu sehen sind, gehören demnach dem mittleren
Theile der Zunge an. In der Mittellinie verläuft von vorn nach hinten in
Form eines Streifens das septum linguae, von dem nach beiden Seiten hin
die Faserzüge des queren Zungenmuskels gehen; in dem hinteren Drittel
präsentiren sich die Fasern des oberen Längsmuskels. In die Furche,
welche auf dem Zungenrücken nach abwärts in die Tiefe führt, lagerte sich
das Zäpfchen ein, welches in seiner ganzen Länge erhalten blieb, da der

*

Schnitt oberhalb seiner Wurzel den weichen Gaumen % Zoll über der
Stelle traf, wo sich arcus glossopalatinus und arcus pharyngopalatinus mit
einander vereinigen. Von den Mandeln ist nur der oberste Theil getroffen
worden. Vor ihnen und hinter der starken Drüsenschichte der Gaumenschleimhaut
liegt ein quer herüber gehender Muskel streifen, der dem oberen
Rande der im arcus glossopalatinus eingebetteten Muskelmasse (m. glossopalatinus
) sowie dem m. azygos uvulae angehört. Hinter den Mandeln
hing damit eine Parthie zusammen, welche als Musculus palatopharyngeus
den gleichnamigen Schleimhautbogen ausfüllt. Von einer genauen Trennung
der Muskeln konnte natürlich nicht die Rede sein, jedoch schien es, als ob
die quergeschnittenen Fasern hinter den Mandeln, namentlich hinter der
linken, dem m. petrostapkylinus (levator palati mollis) angehörten. Vom
m. sphenostaphylinus (tensor palati mollis) war nichts zu erkennen, da der
Schnitt unterhalb des liamulus processus pterygoidei verlief. Dagegen zeigte
sich sehr gut der Theil des m. constrictor pharyngis superior, welcher mit dem
Unterkiefer und dem musculus buccinator zusammenhängt, und demgemäss
als m. mylophaiyngeus und buccopharyngeus bezeichnet wird. Innerhalb
dieser Muskelzüge befindet sich die nach abwärts enger werdende Lichtung
des Schlundkopfs. Man ist gewohnt, sich diesen Raum grösser vorzustellen
, weil man ihn am Lebenden im schrägen Durchschnitt, der durch
die hinteren Gaumenbogen gebildet wird, betrachtet, und weil bei den
Sagittalschnitten, nach weichen Präparaten angefertigt, der Abstand des
Zäpfchens von der hinteren Schlundwand meistens viel zu gross abgebildet
wird. Man wird deshalb bei der Staphylorraphie durch die Engigkeit der
Lokalität oft sehr unangenehm überrascht, und muss enttäuscht die kunstreichen
Nähapparate von de Pierris u. A. wegen Mangel an Spielraum
wieder bei Seite legen.

Hinter der Muskulatur des Schlundes, durch lockeres Zellgewebe
davon getrennt, welches sich auf der Abbildung nur durch eine weisse
Linie wiedergeben liess, liegen die Muskeln longus colli, rectus capitis
anticus major, und weiter nach aussen an den processus transversi des
atlas die sehnigen Ansätze der recti capitis laterales.

Von besonderer Wichtigkeit für die Operationen an Mandeln und
Schlundkopf erscheint die Lage der arteria carotis interna. Man sieht,
dass dieses grosse arterielle Gefäss in unmittelbarer Nähe der Schlundkopfmuskulatur
liegt, ebenso wie man am Lebenden leicht die Pulsation
dieser Arterie vom Schlund aus fühlen kann. Man wird daher nur mit
besonderer Vorsicht tiefere Incisionen dieser Stelle vornehmen.

Die Lage der Arterie zu den Tonsillen dagegen erlaubt schon
grössere Freiheit bei der Exstirpation dieser Drüsen, und es haben auch
die zahlreichen Operationen daselbst gezeigt, dass die Besorgniss Hyrtls
(top. Anatomie 7, 380) in dieser Beziehung übertrieben ist. Jedoch ist
namentlich bei dem gewaltsamen Hervorziehen der Drüsen aus ihrer Nische
stets die Nähe der carotis im Auge zu behalten, und bei der Gutartigkeit
der meisten Tonsilargeschwülste gar nicht darauf hinzuarbeiten, möglichst
tief und möglichst vollständig diese Drüse zu entfernen, sondern vollständig
Genüge leistet, wenn nur die Hauptmasse der Geschwulst entfernt worden
ist. Da die meisten der hier gebräuchlichen Instrumente nur eine Abtragung
, keine Ausrottung der Tonsillen erlauben, so liegt schon darin
eine Art Garantie gegen die Verletzung der carotis. *

Die Lage des nervus mandibularis zum Unterkiefer und die des
nervus lingualis, zwischen Kiefer und Mundhöhle, ist auf der Abbildung
gut ersichtlich. Ueber letzteren ist hierbei zu bemerken, dass Verletzungen
desselben bei rohen Zahnextractionen durch das Ausgleiten des scharfen
Hakens bereits mehrfach beobachtet worden sind. Die Aufsuchung und
Zerschneidung von der Mundhöhle aus bei Neuralgie, wie sie Roser empfohlen
hat, ist gut ausführbar, aber auch selbst ohne Durchtrennung der


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