Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., RA gr.2.2014/14-1
Braune, Wilhelm [Hrsg.]
Topographisch-anatomischer Atlas: nach Durchschnitten an gefrornen Cadavern (Text)
1872
Seite: 12b
(PDF, 16 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/topographisch1872-1/0028
sich seine vordere und hintere Wand. Hinter ihm sieht man die mittlere
Parthie des unteren Schlundschnürers, vom m. constrictor pharyngis
infimus den m. thyreo -pharyng>eus.

Da der Schlund nach hinten zu unmittelbar an die Wirbelsäule, und
die auf derselben liegenden m. longus colli und m. rectus capitis anticus
major angelegt ist, so muss der Raum, welchen der hinabgleitende Bissen
beim Passiren an dieser Stelle erfordert, durch Vordrängen der vorderen
Wand des Schlundes geschafft werden und dadurch der Kehlkopf nach
vorn rücken. Da derselbe beim Schlucken ausserdem noch gehoben
wird, so resultirt aus beiden Richtungen eine Bewegung nach dem Kinne
zu, welche leicht beim Schlingen beobachtet werden kann. Das lockere
Zellgewebe, welches zwischen Schlund und Wirbelsäule liegt, bildet auf
dem Durchschnitte einen ganz schmalen Saum, ist daher nicht im Stande,
genügenden Platz zu schaffen. Es macht aber seine ausserordentliche
Lockerheit die Bewegungen des Schlundes an der Wirbelsäule möglich.
Diese Lockerheit ist es aber auch, welche Blutungen daselbst eine grosse
Ausdehnung verschafft und Eitersenkungen so sehr begünstigt.

Hinterder Spalte des Schlundes liegt der Durchschnitt des 6. Halswirbels
, der in seiner unteren Hälfte getroffen wurde. Da derselbe auf
der rechten Seite an der Stelle gerade in den Schnitt fiel, wo der Wirbel-
körpe mit dem Bogen zusammenhängt, so bekommt man ein deutliches
Bild von der Lichtung des Wirbelkanales. Dieselbe stellt sich als ein
gleichschenkliges Dreieck dar, und ist so geräumig, dass bei der grossen
Beweglichkeit der Halswirbelsäule doch das Rückenmark freien Spielraum
behält, um Zerrungen gut ausweichen zu können.

Bemerkenswerth erscheint die Lage des Wirbels zu den umgebenden
Weichtheilen insofern, als derselbe auffallend weit nach vorn gerückt
erscheint. Nimmt man nämlich die Hälfte des Durchmessers von vorn nach
hinten, so zeigt es sich, dass der Wirbelkörper vollständig in die vordere
Hälfte des Schnittes zu liegen kommt. Man wird bei vergleichenden Messungen
an dem auf Tafel I gegebenen Durchschnitte, so wie an anderen
Abbildungen erkennen, dass diese Lage des Wirbels eine normale und
zwar durch die Halskrümmung der Wirbelsäule bedingte ist, und dass für
gewöhnlich die Bestimmung der medulla in ihrer Entfernung von der
Nackenoberfläche am Lebenden viel zu gering ausfällt. Ein fast ganz
gleiches Verhältniss wie bei der vorliegenden Zeichnung findet sich bei
Pirogoffjasc. I. Tab. 3. Fig. 2.; Tab. 2. Fig. 1. — Fase. 1. Tab. 10. Fig. 6.

Da der Wirbelkörper nahe an seinem unteren Ende durchschnitten
wurde, so ist auch der Zusammenhang desselben mit dem processus trans-
versus gut ersichtlich. Man erkennt die durch Injectionsmasse ausgefüllte
arteria vertebralis mit der daranliegenden zusammengefallenen Vene im
Knochenkanale auf beiden Seiten. Da auf der linken Seite der Schnitt
etwas tiefer fiel, so ist hier der canalis transversalis nach hinten zu nur
durch Bandmasse geschlossen, und es ragt der processus obliquus des 7.
Halswirbels mit seiner Gelenkspalte in die Schnittfläche hinein. Da ferner
gerade der 6. Halswirbelkörper im Zusammenhange mit dem processus
transversus getroffen ward, so ist diese Abbildung vorzugsweise geeignet,
das von Chassaignac sogenannte tubercule carotidien in seiner Lage zur
arteria carotis communis zu beleuchten. Es ist dieser Knochenvorsprung
unter den Chirurgen auch geradezu als Chassaignac'scher Tuberkel bekannt,
und gilt nach den Angaben des Autors für einen vorzugsweise guten Wegweiser
bei Aufsuchung der Arterie, wenn deren Unterbindung durch Anschwellung
der Gewebe oder durch Tumoren erschwert ist.

Man sieht nun auch ganz deutlich, dass die vordere Zinke der Knochengabel
, welche von der Seite des Wirbelkörpers ausgeht und den 6. Halsnerven
in sich fasst, diesen von Chassaignac angegebenen Vorsprung darstellt
, und wie ein Wegweiser direkt auf die unmittelbar daran liegende
arteria carotis .communis hinführt. Da ferner dieser Vorsprung, der die
morphologische Bedeutung einer rudimentären Rippe hat und richtiger emi-
nentia costaria heisst, am 6. Wirbel stärker vorspringt als an den oberen
Wirbeln und besonders am 7., so kann er auch am Lebenden sehr leicht
gefühlt werden, wenn man von unten her unter leichtem Drucke an der
Seite der Wirbelkörper bis zur Kehlkopfshöhe hinauf geht.

Wenn es nun aber auch erlaubt ist, zur Demonstration und Orientirung
für Anfänger diesen Knochenvorsprung bei Aufsuchung der Arterie zu benutzen
, so erscheint es nicht zweckmässig für Chirurgen von Fach, solche
Hülfsmittel zu gebrauchen, ganz besonders in complicirten Fällen. Ganz
abgesehen von der Frage über die Zweckmässigkeit der Carotisunterbin-
dung gerade an dieser Stelle, ist es entschieden besser, den sicheren Weg,
den die Muskeln und Fascien bestimmen, Schicht für Schicht zu durchschreiten
. Man läuft dabei weniger Gefahr, Theile zu verletzen, die
geschont werden müssen, und wird auch sicherer auf die Arterie geführt.
Die Arterien sind in ihrer Lage durch Muskeln und Fascien bestimmt, und
können aus ihrer Lage zu solchen Knochenpunkten leicht verdrängt
werden. Liegen sie dagegen so fest und unabänderlich in Knochenkanäle
eingeschlossen wie die a. vertebralis, so ist dadurch allerdings die Bestimmung
ihrer Lage erleichtert, aber der Weg zu ihnen im gleichen Grade
verbaut. Dass aber die arteria carotis aus ihrer Lage vom Chassaignac-
schen Tuberkel leicht weggedrängt werden kann, also dieses Unterstützungsmittel
gerade für eine Reihe von intrikaten Fällen nicht passt, ergibt sich
schon aus der Betrachtung der normalen Schilddrüse, wrelche auf der Abbildung
mit ihren oberen Lappen zwischen Arterie und Schildknorpel eingelagert
ist. Anschwellungen derselben müssen die Arterie von diesem
Knochenvorsprunge seitlich abdrängen, vermögen sie dagegen nicht aus der
fibrösen festen Scheide zu lösen, die von den Hüllen des m. sternoclei-
domastoideus, scalenus und der Schilddrüse selbst gebildet werden. Bei
einem Schnitte, den ich in gleicher Höhe des Halses an einem festgefrorenen
, mit Kropf behafteten Cadaver machte, zeigte sich denn auch
die carotis 1 Centimeter weit nach auswärts von dem Chassaignac1 sehen
Tuberkel entfernt, das Verhältniss zu den Muskeln und Fascien aber natürlicherweise
unverändert.

Betrachtet man die Abbildung näher, so wird man auch das Verhältniss
der Fascien zur Arterie erkennen. Freilich reichen solche Darstellungen
nicht aus, um das Verhältniss sämmtlicher Fascien klar zur
Darstellung zu bringen. Man ist gezwungen, dieselben als weisse Linien
einzuzeichnen und dabei nicht im Stande, das Zusammentreten von mehreren
Blättern genügend zu markiren. Ausserdem lassen sich dadurch
nicht wirkliche Fascien von einfachen Zellgewebslagen gehörig unterscheiden
. Ich verweise deshalb für das genauere Verständniss dieser
Theile auf die Arbeiten von Dittl und Pirogoff, ebenso auf die reichhaltige
Anatomie von Henle, und füge nur noch hinzu, dass die Conturen der
Muskeln, welche die Fascienlagen hauptsächlich bestimmen, ganz genau
nach dem Präparate wiedergegeben sind und deshalb doch auch in dieser
Beziehung sichere Anhaltspunkte abgeben.

Nach aussen und etwas nach hinten von der Arterie liegt die zusammengefallene
mächtige vena jugularis interna, zwischen beiden der nervus
vagus, der bei der Unterbindung besondere Vorsicht erfordert. Man vermeidet
ihn am sichersten, wenn man nach Spaltung der fibrösen Scheide
mit einer feinen Sonde durch das Zellgewebe hart um die Arterie den Weg
bahnt und dann erst unter Anspannung der Fascienränder mittels 2 Pin-
cetten die Unterbindungsnadel herumführt. Man kann dabei sowohl von
innen wie von aussen eingehen. Hinter und nahe an der Arterie liegt der
nervus sympathicus, der bei diesem Verfahren ebenfalls geschont wird,
was kaum möglich sein wird, wenn man nur die alte Regel befolgt, im
Interesse des vagus von aussen nach innen um die Arterie den Haken zu
führen und dann mit der im Zellgewebe gefangenen Spitze gewaltsam
durchbricht. Hinter dem vagus, auf dem m. scalenus, liegt der nervus
phrenicus.

Hinter der vena jugularis, zwischen m. sternocleidomastoideus und
scalenus medius fanden sich nervi supraclaviculares vom 4. Halsnerven.
Zwischen m. scalenus anticus und medius erkennt man ferner die Durchschnitte
des 5. und 6. Halsnerven, welche gemeinsam auf der Abbildung
als plexus brachialis bezeichnet wurden, um nicht durch zu viele Einzelnheiten
die Klarheit des Bildes zu stören. Der 7. Halsnerv geht von der
medulla spinalis im Kanäle der Wirbelsäule ab und schlägt eine Richtung
nach aussen und abwärts ein, hinter der arteria vertebralis.


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