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TAFEL VIII.
Die Abbildung auf dieser Tafel stellt die obere Fläche der letzten
Scheibe dar, die von dem injicirten Cadaver genommen wurde, welches
auch den vorhergehenden Blättern zu Grunde lag. Es ist dalier nicht
nöthig, über das Cadaver selbst etwas zu erwähnen, da bereits bei
Tafel V. das Wesentliche hierüber bemerkt worden ist.
Der Schnitt wurde so geführt, dass er gerade beide arteriae sub-
claviae in der Höhe ihres Bogens traf, den sie über die Lungenkuppel
beschreiben, und war zufällig so glücklich ausgefallen, dass der
Stamm der linken Schlüsselbeinarterie selbst unverletzt blieb, während
derselbe auf der rechten Seite sammt der darunter liegenden Lunge angeschnitten
wurde. Er hielt sich ausserdem in der Ebene des isthmus glanduläre
thyreoideae, des unteren Randes vom 1. Brustwirbel, sowie der
Processus coracoidei und der Oberarmköpfe oberhalb der Rollhügel. Eine
Folge der hohen Schulterstellung ist es, dass die Seitenansichten der Tafel
IX. ähneln, während die Mittelparthie, als einer höheren Region entsprechend
, wesentlich anders sich ausnimmt.
Was zunächst die Verhältnisse der Wirbelsäule betrifft, so erkennt
man an der vorderen Seite derselben ein Stückchen Wirbelkörper, welches
der unteren Fläche des 1. Brustwirbels angehört, dahinter aber die Symphyse
zum 2. Brustwirbel, welche in Folge der Wirbelsäulenkrümmung
ebenso wie der Wirbelkörper bei der horizontalen Sägeführung schräg getroffen
wurde. Hinter der Bandscheibe ragt ein kleines Stückchen
des 2. Brustwirbels hervor, dem auch die beiden processus trans-
versi angehören. Die beiden Rippen, welche sowohl an diesen Fortsätzen
als auch an den Wirbelkörpern selbst sich inseriren, sind demnach
die zweiten. Vor ihnen, in der Muskulatur, liegen die Durchschnitte der
ersten Rippen. Vom Brustbeine und dem Sternalende der Schlüsselbeine
ist nichts zu sehen. Beides liegt bedeutend tiefer, wie sich schon aus der
Betrachtung der Schilddrüse ergibt. Die Durchschnitte der Schlüsselbeine
selbst betreffen so ziemlich deren Mitte und sind mit dem darunter
liegenden musculus subclavius leicht zu finden. Man sieht also, dass der
obere Theil des thorax durch den Schnitt bereits geöffnet ist, welcher sich
nach vorn zu noch vollkommen in der Halsregion befindet. Man wird demnach
die Halsregion von dem Brusttheile des Körpers nicht durch eine
Horizontalebene abgrenzen können, sondern wird die Grenze schräg nach
hinten hinaufführen müssen, so dass man auch sagen könnte, der Hals
liege nicht nur über dem thorax, sondern zum Theil auch vor demselben.
Man wird sich demnach nicht verwundern, wenn horizontal über den
Schlüsselbeinen eindringende Halsverletzungen die Lungen treffen und
wird ganz besonders in dieser Beziehung Stich- und Schusswunden der
unteren Halsgegend zu untersuchen und zu beurtheilen haben.
Da die linke Lunge durch ihre zwar freigelegte, jedoch noch unverletzte
pleura deutlich hindurchscheint, die rechte aber sammt der arteria
subclavia durch den Schnitt getroffen wurde, so könnte man vielleicht
glauben, dass die Säge überhaupt auf der rechten Seite weiter nach abwärts
geführt worden sei. Allein dem ist nicht so. Abgesehen davon,
dass bei ganz gleicher Schulterhaltung, soweit sich dieselbe herstellen
liess möglichst genau die Horizontalebene eingehalten wurde, findet sich
sogar der rechte Oberarmkopf bedeutend höher getroffen als der linke.
Man kann demnach annehmen, dass die rechte Lunge bei dem vorliegenden
Cadaver höher hinaufgeragt habe, als die linke. Da diese Differenz, wie
aus der Abbilduno- deutlich hervorgeht, nicht unbedeutend ist, und einen
völlig normalen untadelhaften jugendlichen Cadaver betrifft, so erscheint
* dieses Verhältniss für die Untersuchung, namentlich für die Percussion
der Lungenspitzen nicht unwichtig. Man wird sonach bei muskelkräftigen
jungen Individuen oberhalb der Schlüsselbeine rechts einen volleren Per-
cussionston erwarten können als links, und um so sicherer auf eine Anomalie
schliessen, wenn sich das umgekehrte Verhältniss zeigen sollte.
Zu beiden Seiten des Muskelfleisches des longus colli, zwischen
diesem und der Lunge, sieht man das 2. Brustganglion des nervus sym-
pathicus; vor und über der Lungenkuppel die arteria subclavia, seitwärts
von dieser die grosse Fläche des schräg getroffenen plexus brachialis.
Während die Arterie nicht die höchste Höhe der Lungenspitzen überschreitet
, sondern mehr auf dem vorderen Abhänge der pleura aufliegt,
bildet der plexus brachialis mit der Wirbelsäule eine Art Nische, welche
die oberste Spitze der Lunge aufnimmt, überdacht dieselbe somit noch
höher als die vor ihm liegende grosse Arterie.
Namentlich auf der linken Seite lässt sich dieses Verhältniss recht gut
erkennen.
Die linke arteria subclavia, im Stamme unverletzt, zeigt nach oben
die Durchschnitte von 2 starken abgehenden Aesten. Von diesen gehört
der innere der arteria vertebralis, der äussere dem truncus thyreocervicalis.
Vorn, um den scalenus anticus und nervus phrenicus herum schlingt sich
die arteria cervicalis superficialis, um schräg aufsteigend über den plexus
brachialis nach aussen und hinten zum Nacken zu gelangen. Man sieht sie
noch im Anfange ihres Verlaufes abgeschnitten, unmittelbar unter dem sie
nach aussen bedeckenden hinteren Bauche des m. omohyoideus, von dem
nur ein Scheibchen abgeschnitten wurde. Fast der ganze Muskel fand
sich in der nächst höheren Scheibe.
An der hinteren Wand der subclavia liegen 2 kleine Arterienöffnungen,
die sich nicht genauer bestimmen Hessen. Die arteria transversa colli,
welche auf der vorhergehenden Tafel in ihrer Endtheilung zu sehen ist,
entsprang von dem starken Stamme am scalenus anticus, gemeinsam mit
der a. thyreoidea inferior. Man sieht die Fortsetzung ihres Stammes, die
dorsalis scapulae, gedeckt vom m. rhomboideus in die Tiefe gehen.
Die arteria transversa scapulae liegt hinter dem musculus subclavius',
man erkennt sie wieder hinter der Bandmasse des lig. conoideum und tra-
pezoideum, am proc. coracoideus, da wo sich in der Tiefe die incisura scapulae
fand. Sie ging über das lig. transv. scapulae hinweg zur fossa
supraspinata, während der sie begleitende nervus suprascapularis unter
demselben hindurchging.
Von der rechten arteria subclavia ist die obere Wand eine Strecke
weit durch den Schnitt entfernt worden, so dass man bequem in ihre Lichtung
hineinsehen kann. Man sieht an dem medialen Ende des Ausschnittes
eine Ausbiegung der Wand, welche dem Abgange des truncus thyreocervicalis
entsprach, und erkennt die Abgangsstelle der sich um den m.
scalenus anticus herumwindenden a. cervicalis superficialis. Weiter nach
aussen, zwischen musc. subclavius und serratus anticus major liegt die a.
transversa scapulae, welche mit der gleichnamigen Vene und dem nervus
suprascapularis nach der incisura scapulae sich hinzieht, um über das
Ligament hinwegzugehen, während der Nerv unter demselben liegt.
Bei Vergleichung beider Schlüsselbeinarterien stellt sich heraus, dass
ausser der höheren Lage der rechten, an ihrem Bogen über die Lungenkuppel
, der Anfangstheil beider eine sehr verschiedene Richtung hat,
bedingt durch den verschiedenen Ursprung. Während der aufsteigende
Theil der linken subclavia, vom Aortenbogen kommend, weiter nach
hinten sich befindet und ein beträchtliches Stück der pleura anliegt, wendet
sich die rechte subclavia, wenn man sie in entgegengesetzter Richtung des
Blutstromes betrachtet, nach vorn hin, um mit der carotis communis zum
truncus anonymus zusammenzutreten.
Das hier vorliegende Stück beider Arterien gehört der inneren und
zum Theil der mittleren Portion derselben an. Die direkte Nähe der
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