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V
TAFE
Die liier vorliegende Scheibe zeigt die obere Fläche und gehört zu
demselben normalen Körper wie die übrigen. Ihre Stärke betrug 3% Centi-
meter. Der Schnitt geht durch den unteren Rand des Aortenbogens, einen
halben Centimeter oberhalb der Theilung der trachea in beide Bronchien,
schneidet den 4. Brustwirbel etwas unter seiner Mitte und theilt das sternum
unmittelbar unter dem Ansatz der ersten Rippe, so dass auf der rechten
Seite noch ein Knorpelstreifchen derselben zu erkennen ist. Das Schulterblatt
wurde unter der Spina und der humerus unter den Rollhügeln getroffen.
Der Schnitt traf gerade den oberen Rand des m. teres major und legte den
Verlauf der arteria circumflexa humeri posterior mit dem nervus axillaris
ein Stück weit frei. Nerv und Gefäss gehen in direkter Richtung auf den
m. ddtoiäeus zu. Der Schnitt macht es klar, dass beide hinter dem humerus
vorbei gehen müssen, um zum deltoiäeus gelangen zu können.
Die Achselgefässe und Nerven liegen auf dem m. subscapularis und
unter dem m. coracohachialis. Ihre Lage zu einander ist eine andere geworden
, als auf der vorhergehenden Schnittfläche. Die Arterie liegt nämlich
nicht mehr zwischen Nerv und Vene, sondern wird von den Wurzeln
des medianus so umstrickt, dass sie durch eine ziemlich grosse Nervenmasse
von der Vene abgedrängt erscheint.
Der thorax ist hart an dem unteren Rande der ersten Rippen quer
durchgeschnitten worden. Man erkennt noch auf der rechten Seite des
sternum ein Stückchen vom Knorpel der Rippe, und hat der Lage entsprechend
eine breitere Durchschnittsfläche vom Handgriffe des Brustbeins
als auf der vorhergehenden Tafel. Hinter dem sternum zeigt sich als rother
Streifen der Ansatz der mm. sternothyreoidei', und seitlich davon schliesseri
die Interkostalmuskeln den Brustkasten nach aussen ab, um sich an die
zweiten, dritten und vierten Rippen anzusetzen. Nach hinten schliesst
den Raum der Durchschnitt des vierten Brustwirbels, welcher so nahe
an seinem unteren Ende getroffen wurde, dass bereits die Gelenkfortsätze
des nächstfolgenden Wirbels in die Schnittfläche heraufragen, und auf der
rechten Seite ein Streifchen von der fünften Rippe zu sehen ist, während
auf der linken Seite die fascia endothoracica die Abgrenzung bildet.
Die Form des Thoraxdurchschnittes hat die Gestalt eines Kartenherzens
, hervorgebracht durch das Vorspringen des Wirbelkörpers und
das Zurückweichen der Rippenanfänge. Es hat schon Tlyrtl, topogr. Anatomie
, 1860, I, 492, bemerkt, dass diese Form mit der Bestimmung des
Menschen zum aufrechten Gange zusammenhänge, da bei dieser Form der
Schwerpunkt der Brusteingeweide näher an die Stütze des Stammes rücke.
Bei Thieren fehle dieser Vorsprung.
Beim neugebornen Menschen dagegen, dessen Wirbelsäulen-
krümmung fast null ist, (Pirogoff, a. a. 0. fasc. I. A. Tab. 16, Fig. 3)
ist diese Kartenherzform des Brustkastendurchschnittes schon
vorhanden, wie ich aus eigener Beobachtung sowohl, als im Hinweis auf
die von Pirogoff gegebenen Querdurchschnitte neugeborener Kinder,
fasc. II., Tab. 20, angeben kann.
Dagegen fand ich das Verhältniss der Breite zur Tiefe in gleicher
Höhe beim kindlichen thorax ganz bedeutend gegen den thorax des
erwachsenen Menschen variirend. Während nämlich beim neugebornen
Kinde der Tiefendurchmesser sich zum Querdurchmesser verhielt wie
1:2 (kleine Schwankungen ungerechnet), zeigt sich beim Erwachsenen
auf der vorliegenden Tafel das Verhältniss wie 1:3. Bei dem alten
Manne zeigte sich dagegen ein dem kindlichen Habitus sich annäherndes
Verhältniss, nämlich 1:2,5.
Beide Lungen befinden sich im Zustande der Expiration, und zwar
in einem so hohen Grade derselben, wie er im Leben beim gewöhnlichen
Athemholen während der Respirationspause nie erreicht wird. Da die Zusammenziehung
der Lungen nach dem Tode von ihrer Elasticität abhängig
L XI.
ist, so wird auch der Raum, den sie allmälig einnehmen, um so kleiner
werden müssen, je jünger, gesünder, elastischer die betreffenden Lungen
sind, und da die Zusammenziehung der Lungen in gleichem Maassstabe ein
Aufwärtsrücken des Zwerchfells und damit des Herzens und der Leber
und Milz bedingt, so werden wir bei jungen und kräftigen Individuen
einen höheren Stand des Zwerchfells und seiner Nachbarorgane nach dem
Tode vorfinden als bei älteren oder kranken.
Vergleicht man nun Durchschnitte von älteren Individuen mit dem
hier vorliegenden, so findet man dasselbe Bild bei einer tieferen Wirbelhöhe
(bei einem 50jährigen Manne am 6. Brustwirbel). Man wird demnach
bei Bestimmung der Lage des Aortenbogens, der Luftröhrentheilung u. s. w.
jedesmal das Alter des Individuums mit in Betracht ziehen müssen, und
wird nicht eine bestimmte Wirbelhöhe für die einzelnen Brusteingeweide
als die normale allgemein hier aufstellen dürfen.
Die Lungen selbst wurden am unteren Ende ihrer oberen Lappen
geschnitten, so dass links bereits ein Streifchen von unteren Lappen in die
Schnittfläche hineinragt.
Vorn zwischen ihnen liegt die thymus, die sich fast stets bis in die
20er Jahre hinein vorfindet, und deshalb Medianschnitte an jüngeren Individuen
ohne Eröffnung der Pleurahöhlen möglich macht.
Bei älteren Leichen liegen nach dem Schwunde der thymus die beiden
Lungen so dicht aneinander, dass bei solchen Schnitten die Eröffnung der
Pleurahöhle unvermeidlich wird.
Ich unterlasse es, über die Einzelheiten der Form des mediastinum zu
sprechen, da bereits von Hyrtl, top. Anat. I, 547, und von Luschka in
Virchows Archiv, 15.364, vorzügliche Darstellungen dieses Kapitels gegeben
sind. Es ist nichts veränderlicher als der Mediastinalraum, da er nur
vorn und hinten von festen Grenzen eingeschlossen wird, zu beiden Seiten
aber die beweglichen Mittelfelle hat. Die Volumsveränderungen der Lungen
beim Athmen, durch Krankheiten u. s. w., müssen auch die Lage der Mittelfelle
verändern. Dazu kommt ferner, dass der Inhalt des Mittelfellraumes
ein beweglicher und veränderlicher ist. Die Speiseröhre nimmt im gefüllten
Zustande einen anderen Raum in Anspruch, als wenn sie leer und zusammengefallen
ist. Dasselbe gilt von den grossen Getässen, die nach jeder
Herzcontraktion ihre Grösse nicht unbedeutend verändern.
In der Höhe des manubrium sterni, in der wir uns auch auf der vorliegenden
Abbildung befinden, ziehen die Mittelfelle von aussen, der Gegend
des Sternoclavikulargelenkes, nach einwärts und abwärts herab, so
dass der Raum nach unten zu sich trichterförmig verengert. Dadurch ist
es möglich, auf die thymus, den oberen Rand des Aortenbogens mit den 3
abgehenden Arterien, die vena cava superior mit den beiden ungenannten
Venen zu gelangen, ohne das eine pleura geöffnet zu werden braucht.
Ebenso können Perforationen der hinter dem manubrium sterni liegenden
Parthie der Luftröhre von der vorderen Brustwand aus stattfinden, ohne
dass die pleura dabei getroffen wird. Um in gleicher Wirbelhöhe die Verhältnisse
bei pathologischen Veränderungen vergleichen zu können, habe
ich einige Abbildungen aus Pirogoff 's Atlas entnommen, sie auf halbe
Grösse reducirt und umgekehrt, damit sie von oben nach abwärts den
Blick in den Körper gestatten und die rechte Seite der Abbildung sich
somit auch zur rechten Hand des Beschauers findet, ebenso wie bei meiner
Tafel, die der besseren Vergleichung halber ebenfalls in halber Grösse hier
beigegeben wurde.
Von der Pirogoff'sehen Abbildung, welche denselben Cadaver mit
linksseitigem Pneumothorax betrifft, welcher zu Tafel X. mit abgebildet
wurde, wurde das Spiegelbild genommen, um so die Seiten meiner Abbildung
correspondirend zu erhalten. Der Schnitt ging nach Pirogoff 's Angabe
vorn durch den 2. Intercostalraum, traf dann die 3., 4. und 5. Rippe
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