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TAFEL XII.
Die vorliegende Abbildung stellt die-obere Fläche einer 3'/2 Cent
starken Scheibe dar, und schneidet den Rumpf unmittelbar unter dem
Sternalansatze der zweiten Rippen sowie der oberen Fläche des 6. Brustwirbels
; nach aussen ging die Säge durch das Fett am Roden der Achselhöhle
und traf die Oberarmknochen am Ansätze des m. (eres major.
An den Überarmknochen sieht man die sehnigen Ansätze der grossen
Pektoralmuskeln, welche durch das Anlegen der Arme an den Rumpf so
gefaltet worden waren, dass sie einen ilachen Bogen nach aufwärts bildeten
und somit 2 mal von der Säge getroffen wurden. Unter der Sehne derselben
liegt der m. biceps und m. coracobrachialis, dicht unter letzterem erscheint
das Gefäss- und Nervenbündel, und zwar in solcher Anordnung, dass die
arteria axillaris bedeckt vom Nervengeflecht zunächst am Muskel gefunden
wird. Will man daher die axillaris zum Zwecke ihrer Unterbindung aufsuchen
, so muss man bei stark erhobenen Armen die Fascie des coraco-
brachialis einschneiden und von der Scheide des Muskels aus, der sich
leicht nach aussen ziehen lässt, auf die Arterie eingehen. Man vermeidet
so am sichersten verletzende Quetschungen der Vene und der Nerven.
Wichtiger aber als die Verhältnisse der Armgegend, sind auf dieser
Tafel die Parthieen des Rumpfes, der im zweiten Intercostal räume genau
horizontal durchschnitten vorliegt. Man erkennt, dass der Schnitt die
grossen Herzarterien unmittelbar über ihren Klappen getroffen hat, und
dass der linke Vorhof des Herzens mit dem obersten Rande des Flerz-
ohres bereits in die Schnittfläche hineinragt. Das Herzohr des rechten Vorhofs
liegt etwas tiefer, lässt sich aber vor der aufsteigenden aorta eben noch
erkennen. Entsprechend der Farbe des Blutes, welches die Gefässe führen,
ist auch das Colorit gehalten worden, so dass die Lungenarterien blau bezeichnet
sind, wie die Körpervenen, und die Lungenvenen das Roth der
Körperarterien tragen.
Vorn, hinter dem sternum, stossen die beiden Lungen mit ihren Pleurasäcken
beinahe zusammen, so dass nur ein schmaler Raum übrig bleibt,
welcher zu der von den vorderen Mittelfellen eingeschlossenen thymus führt.
Man sieht somit, dass an diesem Cadaver ein Sagittalschnitt in der Mittellinie
den rechten Pleurasack hätte eröffnen müssen.
Die Conturen des Herzbeutels sind durch die Zeichnung deutlich
markirt. Derselbe erstreckt sich in dieser Höhe links bedeutend weiter
nach hinten, als rechts, entsprechend der höheren Lage des linken Herzohres
. Rechts schliesst er vor der oberen Hohlvene ab, erstreckt sich aber
zwischen dieser und der aorta nach hinten bis zum rechnen Aste der
Pulmonalarterie, und vermittelt dadurch wie ein Schleimbeutel die zur
Funktionirung nothige Beweglichkeit beider Gefässe gegeneinander.
Da die Gefässstämme, welche aus den Lungen in den linken Vorhof
und aus dem rechten Ventrikel in die Lungen führen, in horizontaler
Richtung verlaufen, s0 sind auch bei dem Horizontalschnitte durch die
Lungenwurzel viele von ihnen mehr der Länge nach getroffen worden,
während die mehr senkrecht vom Herzen und zum Herzen sehenden
KÖrpergefässe des grossen Kreislaufes quer geschnitten erscheinen.
Von den Gefässen des kleinen Kreislaufs ist besonders die Lungenarterie
ins Auge zu fassen, welche in einem grossen Theile ihres Verlaufes
frei gelegt ist. Sie ist unmittelbar über ihrem Ursprünge getroffen, und in
der ganzen Läno'e ihres rechten Lungenastes aufgeschnitten. Der linke Ast
wurde abgeschnitten, da er nicht in gleicher Ebene lag, sondern etwas nach
aufwärts stieg, um im Bogen über den linken Bronchus und das atrium si-
nistrum hinweg zur linken Lunge zu gelangen. Es verlief aber auch sogar der
Stamm der Lungenarterie selbst etwas nach links, hinten und aufwärts,
wie aus der oberen Fläche des Schnittes erkannt werden konnte, und wie
sich auch aus dem hohen Stande des linken Herzohres auf der vorliegenden
Abbildung selbst schliessen lässt.
Deutlich sichtbar ist die Fixirung der aorta an die pulmonalis, und
die bewegliche Lage der ersteren zur vena cava. Wichtig erscheint die
Lage der aorta vor dem rechten Aste der pulmonalis, welche bei
aneurysmatischen Erweiterungen des Anfangsstückes der aorta eine Com-
pression der rechten Pulmonalarterie erwarten lässt.
Die Lage der Klappen der pulmonalis und aorta zur Thoraxwand
wurde noch im festen Zustande des Präparates genau bestimmt, und
lässt sich auch aus der Abbildung annäherungsweise erschliessen. Das ostium
pulmonale lag an dem linken Sternalrande unter dem oberen
Rande des Knorpels der dritten Rippe; das ostium aorticum
hinter der linken Hälfte des sternum, in der Höhe des 3. Rippenknorpels
, also etwas tiefer, hinter und rechts zur Oeffnung der pulmonalis.
Die Krümmung der aorta hinter dem Anfangstheil der pulmonalis ist auf
der Zeichnung möglichst genau gezeichnet worden; ebenso die Lage der
Aortenklappen. Es muss aber bei solchen Bestimmungen ausdrücklich betont
werden, dass man nicht damit die Verhältnisse am Lebenden genau
wiedergibt. Abgesehen von dem Einflüsse, den die Füllung und Spannung
der Gefässe geltend macht, wird die Lage des Herzens und seiner grossen
Gefässe hauptsächlich durch die umgebenden Lungen und durch das
Zwerchfell bestimmt; und somit auch durch jede Ortsveränderung dieser so
beweglichen Organe mit verändert. Es wird im Texte zur nächsten Tafel
dieses Verhältniss noch weiter besprochen werden.
Die beiden bronchi sind deutlich zu erkennen. Während der linke
in Folge seiner weniger steilen Richtung mehr schräg und in ziemlicher
Strecke seiner Verzweigung getroffen wurde, ist der steil herabgehende
rechte bronehus mehr quer geschnitten und mehrere seiner Aeste bereits
völlig abgetrennt worden. Zwischen ihnen liegen die der Lungenwurzel
eigenthümlichen zahlreichen schwarz tingirten Bronchialdrüsen.
Nahezu in der Mitte vor dem 6. Brustwirbel liegt der Oesophagus',
links hinter und neben ihm die absteigende aorta, die bereits ihre Richtung
nach der Mitte zu nimmt; zwischen beiden, grau markirt, der hier doppelte
ductus thoracicus. Der n: vagus lag rechts neben der Speiseröhre und der
dahinter liegenden vena azygos, links, zwischen bronehus und aorta descenalens.
Es ist für den praktischen Arzt von Wichtigkeit, die Veränderungen
zu sehen, welche pathologische Zustände auf solchen Durchschnitten bedingen
. Deshalb habe ich zwei Abbildungen aus Pirogoff's Atlas, welche
von erkrankten Individuen abgenommen wurden, hier beigegeben. Fig. 1
zeigt die Verhältnisse bei massigem pericardialem Exsudat in
gleicher Höhe mit meinem Durchschnitte.
Fig. 1. thorax viri adulti. Hy droperica rditis. Insufficientia valv. aortae. Pleuritis.
Pirogoff, IL 6, 1. %
1. 1. bronchi. 2. Oesophagus. 3 arteria pulmonalis. 4. aorta ascendens. 5. vena cava superior.
6. aorta descendens.
Man erkennt die colossale Ausdehnung, welche der Herzbeutel an der
Wurzel der grossen Gefässstämme erhalten hat; beide Pleurasäcke sind
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