Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., RA gr.2.2014/14-1
Braune, Wilhelm [Hrsg.]
Topographisch-anatomischer Atlas: nach Durchschnitten an gefrornen Cadavern (Text)
1872
Seite: 21b
(PDF, 16 MB)
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  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/topographisch1872-1/0046
Der Cadaver des älteren Mannes ist derselbe, der Tafel IX zu Grunde
liegt. Der Tod war durch Erhängen herbeigeführt; Magen und Därme
leer. Die Abbildung ist in halber Grösse (linear) gehalten.

x X

Fig. 2. Cadaver puellae, 10 mensium, mortuae natae.

1. hepar. 2. ventriculus: 3. lien. 4. glandulae suprarenales.

Der Schnitt ging durch den 10. Brustwirbel, und vorn durch den
Processus xyphoideus. Der Magen war bis auf eine Spur von gefrorenem
Schleim leer. Die Lungen, durchaus normalen Gewebes, absolut frei von
Luft. Die Leber, dem frühen Alter entsprechend, gross und fettreich.
Nebennieren gross; ebenso die Milz.

Der gut entwickelte starke Körper des Kindes zeigte nirgends Abnormitäten
, kam im frischesten Zustande auf die Anatomie und ward sogleich
zum Frieren gebracht.

Im höchsten Grade überraschend ist die fast zum Verwechseln grosse
Aehnlichkeit der beiden Durchschnittte Fig. 1 und 2, also des mit Fettleber
behafteten älteren Mannes und des neugebornen Kindes. Auch die halbe
Grösse des ersteren entspricht so wunderbar genau den kindlichen Verhältnissen
, dass ich noch ganz besonders betonen muss, wie sorgfältig die
Verkleinerung der ursprünglichen Zeichnung gemacht wurde, und wie
genau der Zeichner zu Werke ging, als er mittels Pausepapiers auf den
fest gefrorenen Präparaten die Zeichnungen anlegte und ausführte.

Die Leber füllt bei beiden Figuren fast den ganzen Raum innerhalb
des Zwerchfells, und umgreift um ein grosses Stück die Milz, welche in
gleicher Weise nach hinten zu, neben der Wirbelsäule liegt wie auf der
colorirten Tafel. Nur der Magen zeigt eine bedeutsame Verschiedenheit.
Er ist bei Beiden im leeren Zustande, hat auch dieselbe Lage zwischen
linkem Leberlappen und Milz, und wendet bei Beiden dem Zwerchfell ein
Stück Wandung zu, das vom peritonaeum nicht überzogen ist; dagegen
zeigt er eine sehr verschiedene Form. Während er bei dem älteren Manne
eng contrahirt ist wie ein Darm, bildet er bei dem kindlichen Cadaver einen
queren Spalt, so dass die vordere Wand wie erschlafft auf der hinteren
aufliegt; eine Form, die im späteren Alter nie beobachtet wird.

Vor der rechten Nebenniere liegt bei dem kindlichen Cadaver die
vena cava inferior, etwas tiefer unter den lobulus Spigelii eingebettet, als
bei dem älteren Manne, bei dem die Nebennieren noch nicht auf der Schnittfläche
zu sehen sind, trotzdem dass der Schnitt um 3 Wirbel tiefer gelegen
ist. Dagegen ist, dem geringeren Contractionsvermögen der älteren Lunge
entsprechend, bei Fig. 1 noch in der Höhe des 1. Lendenwirbels Lunge im
Pleuraräume zu sehen, während bei dem 22jährigen Manne, Tab. XV, die
Pleurahöhlen schon am 11. Rückenwirbel leer sind, und bei dem neugeborenen
Kinde, Fig. 2, gar schon beim 10. Wirbel. Bei dem neugeborenen
Kinde ist eben der thorax in den höchsten Grad der Exspiration gestellt,
in den er nie wieder zurückzukehren vermag, sobald die erste Inspiration
erfolgt. Der gesammte Inhalt der Oberbauchgegend wird somit herabrücken
müssen, sobald das Zwerchfell bei der ersten Inspiration seinen
hohen Stand verlässt, und das Bild, welches hier 3 Wirbelkörper höher
liegt als bei dem älteren Manne, wird dann seine Stelle um ein Beträchtliches
tiefer finden.

Da auf Tafel XV der Raum zwischen Leber und Milz fast vollständig
durch den Magen ausgefüllt erscheint, der doch nur einen geringen Grad
von Füllung zeigte, so drängt sich die Frage auf, wie das Bild sich wohl
gestalten würde, wenn der Magen stärker angefüllt wäre. Man sieht leicht
ein, dass, abgesehen von einer stärkeren Vortreibung der vorderen Bauchwand
, die nach jeder reichlichen Mahlzeit leicht beobachtet werden kann,
auch die unteren Rippen Raum geben müssen, was bei dauernder Auftreibung
des Bauches sogar zu einer bleibenden Ausbiegung des unteren

Thoraxsegmentes führt, wie sie sich vielfach, namentlich bei Kindern, nachweisen
lässt. Aber auch der linke Leberlappen wird den Bewegungen des
Magens mehr oder weniger folgen müssen, da er ja wie ein Deckel über
den Magen hingelegt ist. Er wird mit dem aufgetriebenen Magen sich
erheben und damit auch das Zwerchfell nach aufwärts drängen, und mit
dem sich contrahirenden Magen, dessen Raum nun zum Theil die aufsteigende
flexura coli sinistra einnimmt, herabsinken. Die mesenteriumartige
Gestaltung des ligamentum coronarium liepatis sinistrum macht solche Bewegungen
des linken Leberlappens möglich, die entweder mit einer Drehung
der ges.ainmten Leber verbunden sind, deren Achse am rechten Lappen
zu suchen ist, entsprechend der festen und breiten Anlieftuug desselben an
der rechten Zwerchfellshälfte, oder durch Verbiegung und Dehnung des
weichen Gewebes zu Stande kommen.

Beifolgende Figur, in verkleinertem Massstabe aus Pirogoff entnommen
, wird dies Verhältniss in etwas anschaulich machen, wenn man auch
hieraus kein vollständig genaues Verständniss über Form und Lage des
linken Leberlappens gewinnen wird.

Fig. 3. Cadaver juvenis, 15 annorwn. Ventriculus aere extensus.

Pirogoff, III 3, 1. Vs-

1. hepar. 2. ventriculus. 3. lien 4. aorta abdominalis. 5. veno, cava inferior.

Auch aus dieser Abbildung ist ersichtlich, dass die Milz so weit nach
hinten liegt, dass eine Bestimmung ihrer hinteren Grenze durch Percussion
nicht möglich ist. Man bekommt nun zwar beim Perkutiren in horizontaler
Richtung um den thorax herum nach der Wirbelsäule zu in der Milzhöhe
einen Klangunterschied, wenn man sich der Wirbelsäule nähert, wird jedoch
auf Grund vorliegender Abbildungen diesen Befund nicht auf ein zwischen
Milz und Wirbelsäule liegendes lufthaltiges Organ beziehen können, sondern
die Ursache dieser Erscheinung in der Aenderung der Rippenelasticität an
dieser Stelle zu suchen haben. Man findet auch stets, wenn man in senkrechter
Richtung am Rücken und in der Achselhöhle von oben nach abwärts
perkutirt, den Beginn der Dämpfung in einer horizontalen Linie, die der
Grenze der Lungenbasis entspricht, weiche den obersten Theil der schräg
nach vorn und abwärts gerichteten Milz verdeckt.

Von der festen Lage der Milz, die namentlich durch die Anlieftungen
des Bauchfells, die mit dem Namen des ligamentum phrenico-lienale zu-
sammengefasst werden, bedingt ist, kann man sich leicht überzeugen, wenn
man bei einem Cadaver den obersten Theil des thorax entfernt, und mit
Erhaltung des Bauchfellsackes das Zwerchfell nur soweit abpräparirt, dass
Leber, Magen, flexura coli sinistra und oberer Rand der Milz hindurchschimmern
. Man kann den Magen aufblasen und wieder zusammenfallen
lassen, dann von unten her das colon descendens anfüllen und wieder entleeren
; man wird stets den oberen Rand der Milz (denn nur soweit darf man
das Zwerchfell hinwegnehmen) unveränderlich finden. Auch bei Umlegung
des Cadavers auf den Bauch sinkt die Milz nicht nach vorn, sondern bleibt
in ihrer ursprünglichen Stellung.

Anders gestaltet sich dagegen das Verhältniss, wenn die Anheftungen
der Milz an das Zwerchfell spärlich oder leicht zerreisslich, oder zu langen
Bändern ausgedehnt sind. Dann treten die Erscheinungen der sogenannten
beweglichen Milz auf.

In dem vorzüglichen Atlas von Pirogoff, fasc. III findet sich eine
Reih3 plastischer Darstellungen, die durch Herausmeiseln der Wandungen
gewonnen wurden, so dass man Leber, Magen und Milz in ihrer ursprünglichen
Lage abbilden konnte. Man erkennt aus diesen Blättern, dass die
von mir angegebenen Verhältnisse über die Lage der Milz den Pirogoff'-
sehen Resultaten vollkommen entsprechen.


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