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TAFEL XVII.
Der hier abgebildete Schnitt geht durch den Nabel, trifft die Weichen
kurz über den Darmbeinschaufeln und trennt die Bandscheibe zwischen
3. und 4. Lendenwirbel. Von den Rippen ist nichts mehr zu sehen. Wir
befinden uns also unterhalb des thorax in der Mitte des Unterleibes. Die
Wandungen der Unterleibshöhle sind vorn durch die geraden, seitlich
durch die 3 Schichten der schiefen Bauchmuskeln, hinten durch die
quadrati lumborum und die stark nach innen vorspringende Bandscheibe,
mit dem beiderseitigen psoas, gebildet. Die hintere Wand, an der keine
Processus transversi zu sehen sind, da der Schnitt zwischen denselben hindurchging
, erhält noch eine Verstärkung durch die starken Muskelbäuche
der Rückenmuskeln. Der Inhalt der Bauchhöhle bestellt ausser den
grossen Gefässen und Ureteren (da wir uns bereits unterhalb der Nieren
befinden), vornehmlich aus dem colon ascende/ns, colon transversum, colon
descendens und Dünndärmen. Auch bei Herstellung dieser Abbildung
ward sorgfältig der Darminhalt herausgenommen, so dass die Darmwände
in ursprünglicher Lage sich abzeichnen Hessen.
Wie man aus der Bezeichnung schon erkennen kann, liegt auch hier
die obere Fläche einer Scheibe vor. Dieselbe ward von demselben Cadaver
genommen wie die übrigen, und hatte eine Stärke von 4J/2 Centimeter.
Ehe ich auf die Besprechung der einzelnen hier abgebildeten Theile
eingehe, habeich, wie schon im Texte zu voriger Tafel erwähnt wurde,
noch Einiges über die Nieren nachzutragen. Dieselben lagen vollständig
oberhalb der Schnittfläche, endeten noch im Bereiche der Rippen, lagen also
hoher als man vielfach annimmt; denn Mancher hat sich gewöhnt, vorzugsweise
in dem Räume zwischen thorax und Darmbein, beiderseits neben der
Wirbelsäule, die Nieren zu suchen. Man hält damit im Zusammenhange
auch ihre Lage für eine von den Bewegungen des Zwerchfells und den
Vergrösserungen der Leber und Milz unabhängige. Ich glaube nachweisen
zu können, dass nach beiden Beziehungen hin die Verhältnisse anders liegen.
Zunächst ist auch hier zu betonen, dass vollkommen normale Nieren
gefunden wurden.
Beide Nieren nahmen die Höhe von 31/* Wirbelkörpern ein, und reichten
vom oberen Rande des 12. Brustwirbels bis zur Mitte des 3. Lendenwirbels
herab; wobei noch zu bemerken ist, dass sie nicht genau in gleicher
Höhe lagen, sondern dass die linke die rechte um etwas überragte. Nach
Luschka^ Angaben (Anatomie, II. 1. p. 289) sollen sie für gewöhnlich
noch höher liegen, nehmlich den oberen Rand des 12. Brustwirbels nach
aufwärts überschreiten. Nach denselben erstrecken sie sich von der Mitte
des 11. Brustwirbels bis zum unteren Rande des 2. Lendenwirbels herab.
Ich will nicht diesen Unterschied betonen, sondern glaube, dass diese Angaben
als mit den meinigen übereinstimmend angesehen werden können,
da bei solchen Bestimmungen die halbe Höhe eines Wirbels nicht viel ausmacht
. Der Mus wäre demnach in die Höhe des 1. Lendenwirbels zu verlegen
, und damit übereinstimmend zeigt sich die Lage der grossen Nieren-
gefässe sowohl auf Tafel I wie auf Tafel II.
Dasselbe ergeben ferner die Beobachtungen von Pirogoff, fasc. III
Tab. 4—9, soweit sie normale Individuen betreffen. Auch hier findet man
den Ufas renum durchschnittlich vor dem 1. Lendenwirbel, die obere Grenze,
innerhalb deren die Nieren geschnitten werden, durch den 11. Brustwirbel
gegeben, und die untere durch das Aufhören der Rippendurchschnitte, dem
3. Lendenwirbelkörper etwa entsprechend.
Anders gestaltet sich dagegen das Verhältniss, wenn man Senkungen
des Zwerchfells oder Vergrösserungen von Leber und Milz vor sich hat.
Dann werden die Nieren aus ihrem Lager verschoben und erfahren eine
Dislokation, die mehrere Wirbelhöhen betragen kann.
Bei einem pleuritischen Exsudat der rechten Seite zeigte sich in der
Mitte des 12. Brustwirbels noch nichts von einer Niere {Pirogoff, III, 6, 3);
und bei dem 50jährigen Manne, mit Leber- und Milzvergrösserung, den ich
schon öfter erwähnt habe, fand sich der hilus renum erst in der Höhe des
4. Lendenwirbels. Die Nieren waren also hier recht eigentlich in die
Weichengegend herabgedrängt worden.
Fig. 1. Gadaver viri, 50 annorum. Dislocatio renum. J/2.
1. 1. rencs. 2. vtna cava inferior. 3. aorta abdominalis.
Die Nieren haben somit wohl bei normalen Verhältnissen eine bestimmte
Lage, sind aber in derselben nicht so fixirt, dass sie der von oben
herabdrängenden Leber und Milz bei Vergrösserungen ihres Volums oder
bei Verdrängung durch das Zwerchfell Widerstand zu leisten vermöchten.
Von den Därmen liegt vorn der unterste Theil des colon transversum
vor, links hinten das eng zusammengezogene colon descendens, rechts hinten
das mehr ausgedehnte colon ascendens. Beide, aufsteigendes wie absteigendes
colon, liegen in dem Winkel, den die neben der Wirbelsäule liegenden
Fleischmassen des psoas mit dem quadratus lumborum bilden. Mehr im
Innern der Bauchhöhle erkennt man Dünndarmschlingen, doch bei Weitem
nicht soviel als man erwartet hätte. Vom colon descendens an, an der
Vorderseite des colon transversum hinweg zieht sich bis zum colon ascendens
die Schnittfläche des grossen Netzes hinüber.
Bemerkenswerth ist bei sämmtlichen Därmen das so ausserordentlich
verschiedene Caliber. Je nachdem sie leer oder durch Inhalt fester oder
gasförmiger Beschaffenheit ausgedehnt sind, zeigen sie eine kleinere oder
grössere Schnittfläche. Das aufsteigende colon und das colon transversum
sind sehr gross, ebenso eine Dünndarmschlinge, die das Ende des letzteren
beträchtlich comprimirt hat. Die übrigen Dünndarmparthien sind nur wenig
ausgedehnt; das colon descendens fast leer. Wenn daher Bilder ähnlicher
Durchschnitte vorkommen, wie das im Atlas von Pirogoff, III. 10,1, welches
ich hierbei in halber Grösse wiedergebe, wo alle Därme prall angefüllt
erscheinen, so entspricht das nicht der Natur, sondern rührt von einer
künstlichen übermässigen und gleichartigen Anfüllung her. Pirogoff gibt
an, dass er durch Lufteinblasen in die Därme eines sonst normalen Leichnams
vor dem Gefrierenlassen den Bauch so stark wie nur möglich aufgetrieben
habe.
Entsprechend dieser künstlichen übermässigen und gleichartigen Anfüllung
der Därme verhält sich auch der äussere Contour der Bauchdecken,
die an dieser Stelle überall beweglich sind, und bis auf den Wirbel nirgends
Knochenmassen enthalten. Er zeigt nahezu die Gestalt eines Kreises,
während die meinige, welche, wie sich schon aus der Betrachtung der
Bauchwölbung ergibt, normalen Verhältnissen entspricht, ein flaches querliegendes
Oval darstellt. Man erkennt aus der Länge, welche die schiefen
Bauchmuskeln angenommen haben, wie bedeutend die Auftreibung des
Unterleibes dieselben ausgedehnt hatte, und kann sich aus dieser Ver-
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