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der vorhergehenden Tafeln zeigt. Während nämlich die Lendenwirbel
ziemlich beträchtlich in die vordere Hälfte des Durchschnitts hineinragen,
erreicht das Promontorium auf dieser Tafel nicht einmal die Grenze zwischen
beiden Hälften, ragt also nicht bis zur Mitte der Rumpftiefe vor. EinVerhält-
niss, welches davon abhängt, dass die Convexität der Lendenwirbelkrümmung
hier bereits zu Ende ist und derUebergang zur Concavität des Kreuzbeines
angebahnt wird. Rechnet man nun noch hinzu, dass wir hier ca-
daveröse Verhältnisse vor uns haben, wo die Bauchdecken nicht den
Grad der Wölbung hatten, den sie während des Lebens besassen, so
Avird dieses Verhältniss noch prägnanter. Man wird daher das Promontorium
beim lebendigen Manne unter normalen Verhältnissen stets hinter
der Mitte, in der hinteren Hälfte des Körpers, aufzusuchen haben.
Der Inhalt der von Muskeln und Knochen eingeschlossenen Abdominalhöhle
sei noch nach einigen physiologischen und klinischen Beziehungen
betrachtet. Bei einer Muskelaction, welche diesen Raum zu
verkleinern strebt, mag sie nun entstehen wie sie will, also bei der
sogenannten Bauchpresse, müssen die grossen Gefässe ebenso betroffen
werden, wie die Därme.
Die hart angefüllten Arterien werden den Druck ohne wesentliche
Beeinflussung aushalten, anders dagegen die Venen und Lymphgefässe,
welche letztere auf der Zeichnung nicht wiedergegeben werden konnten.
Ihr Inhalt wird ähnlich wie der der Därme ausgedrückt werden. Der Weg
und die Richtung ist aber hierbei gegeben, und kann nicht wie beim Speisebrei
nach oben und nach unten hin abwechselnd führen. Die an der Grenze
befindlichen Klappen werden eine Stauung hervorbringen, welche das
Blut jedesmal nach der Richtung der Brusthöhle hinauftreibt. Erst beim
Nachlassen des Druckes wird ein neues Einströmen von unten her erfolgen
können.
Die darmähnlichen grossen Kaliber der beiden venae iliacae commune
? sind auf der Abbildung nicht leicht zu verfehlen. Die linke ist
ihres schrägen Verlaufes wegen durch den Querschnitt viel weiter geöffnet
werden, als die mehr steil nach abwärts ziehende rechte; Richtungsverschiedenheiten
, die durch die rechtsseitige Lage der unteren Hohlvene
bedingt sind, in gleicher Weise, wie dies bei den venae anonymae
oben am Halse der Fall ist.
Vor beiden Venen liegen die gleichnamigen Arterien. An der linken
ist bereits die Theilung sichtbar in die a. iliaca externa und interna
s. hypogastrica. Wir sind auf diesem Schnitt noch nicht weit unterhalb
des Nabels, 41/2Centimeter, also noch nicht 2 Zoll rhein., und bereits liegen
beide Arterien 6 Centimeter weit von einander entfernt. Wie effektlos
muss demnach eine Compression der Abdominalaorta ausfallen, die
mehrere Zoll unter dem Nabel angelegt wird, und wie erklärlich ist es
daher bei der meist zu tief angelegten Compression, dass dieselbe für so
unsicher und so schwierig ausgegeben wird.
Die Ureteren, welche auf dem vorhergegangenen Schnitte lateral von
den grossen Gefässen lagen, haben sich bereits mit denselben gekreuzt.
Man findet die lumina derselben, die beim Colorit weiss gehalten wurden,
links einwärts von der Arterie, rechts unmittelbar davor. Weiter lateral
von ihnen, auf der Höhe der mächtigen Muskelfleischwülste des psoas liegen
die vasa spermatica mit dem nervus genitocruralis. Innerhalb der Psoas-
flächen, von hinten her wie in sie hineingeschoben, erkennt man beiderseits
den nervus cruralis.
Die Mächtigkeit des weit in die Bauchhöhle vorspringenden psoas
zeigt am deutlichsten, wie muskelkräftig das vorliegende Individuum
war. Man braucht nur die Abbildungen von Pirogoff, a. a. 0. fasc. 3. Tab.
XII, 2. damit zu Vergleichen, um zu sehen, welch ein Unterschied zwischen
einer abgemagerten Spitalleiche und der eines gesunden Selbstmörders
in dieser Beziehung besteht. Dort, wo auch erwachsene Männer
benutzt worden waren, ist von solchen Wülsten gar nichts zu sehen; die
Masse des psoas beengt kaum den Raum der Abdominalhöhle.
Die Lage der Arteria iliaca zu Vene und nervuh cruralis ist noch
nicht so angeordnet, dass die Arterie wie weiterhin nach abwärts in der
Mitte liegt, aber bereits so bestimmt, dass das bekannte Verhältniss in
der Nähe des Ligamentum Poi^parfeVdaraus resultiren muss. Der innere Rand
des m.psoas bleibt der Leiter für die Aufsuchung der Arterie sowohl unten
als hier oben. Der nervus cruralis liegt so in den psoas eingepackt, von
dessen äusserer Seite her, dass auch weiterhin, wo er der Arterie nahe
rückt, die den psoas umhüllende Fascie ihn von derselben trennen muss.
Betrachtet man die Arterie mit Rücksicht auf ihre Unterbindung
, so erscheint es an dieser Stelle besonders schwierig, sie ohne
Verletzung des Bauchfells zu erreichen. Die Ausdehnung des Bauchfellsackes
am colon descendens wie am coecum lassen es fast unmöglich
erscheinen, das Gefäss ohne Verletzung desselben zu erreichen. Nach
Ablösung der schiefen Bauchmuskeln von den Darmbeinen hätte man sich
zunächst auf der fascia des iliacus nach rückwärts zu wenden, um dann
die wallartigen Vorsprünge des psoas noch zu überwinden; ein langer
vielfach gewundener Weg, dessen glückliche Durchlaufung noch durch
jede irgendwie beträchtliche Darmauftreibung bedeutend erschwert werden
muss. Es ist deshalb aus dieser Abbildung schon ersichtlich, dass
alle Methoden, welche in dieser Höhe die Bauchmuskeln trennen lassen,
um in transversaler Richtung auf das Gefäss zu führen, bedeutende
Schwierigkeiten bereiten, dass es daher besser ist, analog zu verfahren,
wie bei der Aufsuchung der iliaca externa, um so von unten her kommend
am Rande des ysoas bis zur Theilungsstelle hinaufzugehen. Dass es
überhaupt möglich ist, die Arterie so zu erreichen ohne tödtliche Verletzung
durch die Operation selbst, beweisen die glücklich verlaufenen Fälle der
Ligatur der iliaca communis, von denen Günther allein über 21 angiebt.
Die Theilung der iliaca communis in den äusseren und inneren Ast
erfolgt auch hier, wie in den Lehrbüchern angegeben wird, in der Höhe
der articulatio sacro-iliaca, und zwar gerade so genau dieses bekannte
Verhältniss hier einhaltend, dass links, wo schon die Gelenkhöhle eröffnet
ist, auch die Theilung bereits sichtbar im Gefässlumen erscheint,
während rechts, wo das Gelenk noch nicht getroffen wurde, das Gefäss
noch einfach vorliegt. Jedoch darf man nicht erwarten, die Arterie auch
unmittelbar auf dem Gelenk.aufliegend zu finden, wie mehrfach angegeben
wurde. Ebensowenig liegt die Arterie einfach lateral zur Vene;
Angaben, die vielleicht nur von dem Verzerren der einzelnen Organe
beim Präpariren herrühren. Die Arterie liegt vielmehr gerade vor der
Vene und durch diese und den Wulst des psoas noch ein beträchtliches
Stück weit vom Gelenke selbst entfernt. Erst die a. hypogastrica nähert
sich dem Gelenke, und zwar um so mehr, je mehr derpjsoas an Mächtigkeit
nach unten abnimmt, dadurch Platz macht und sich mehr an den
iliacus anlehnend nach aussen rückt. Ist der psoas von vorn herein
schwach angelegt, hat man es also mit einem herabgekommenen Individuum
zu thun, so wird man allerdings die Arterie auch mehr in der Nachbarschaft
des Gelenkes antreffen, jedoch auch dann immer noch die
Vene nicht einfach neben, sondern mehr hinter ihr zu suchen haben, wie
dies gerade diePirogoff'schen Zeichnungen so schön deutlich machen.—
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