Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., RA gr.2.2014/14-1
Braune, Wilhelm [Hrsg.]
Topographisch-anatomischer Atlas: nach Durchschnitten an gefrornen Cadavern (Text)
1872
Seite: 25b
(PDF, 16 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/topographisch1872-1/0054
auch die Arterie für den Operateur leicht zu erreichen ist, ob namentlich i
die Verhältnisse des Bauchfells eine gefahrlose Unterbindung gestatten.

Man hat sich vielfach durch die Nähe des Bauchfells beeinflussen
lassen, um bei Blutungen hoch am Oberschenkel die leicht erreichbare
femoralis am Poupartischen Bande anstatt der iliaca zu unterbinden, ohne
jedoch zu bedenken, dass gerade an der femoralis die Menge der abgehenden
Aeste äusserst ungünstig für die Herstellung eines Thrombus ist.
Bei keiner Ligatur sind in Folge dessen so viele und so heftige Nachblutungen
beobachtet worden. Nun sind aber die Gefahren von Seiten
des Bauchfells in der That nicht so gross, und lassen sich auch für den
Ungeübten sicher umgehen, wenn nur der erste Einschnitt nahe am liga-
mentum Poupartii gemacht wird. Man hat nach Abtrennung des obliquus
internus und transversus die fascia transversa einzuschneiden, um dann leicht
mit den eingesetzten Fingern das Bauchfell im lockeren Zellgewebe nach
aufwärts schieben zu können. Eine kleine Lymphdrüse pflegt direkt auf
der Arterie zu liegen und deren Lage zu markiren. Nur zweierlei ist zu
vermeiden, was in den Lehrbüchern nicht genügend betont wird; nämlich
das Eindringen unter die faseia iliaca und die Verletzung der starken
vena circumflexa ilium die quer nach aussen über die Arterie hinwegläuft.
Gerade weniger Geübte dringen leicht aus Angst vor Verletzung des
Bauchfells zu tief ein und wühlen dann vergeblich die Arterie suchend
in dem Muskelfleische des iliaeus und psoas.

Man wird die Ligatur der iliaca externa geradezu an Stelle der
der femoralis unter dem Poupartischen Bande zu setzen haben.

Auch die Statistik spricht entschieden zu Gunsten dieser Operation.
Norris hat über 100 Operationsfälle verzeichnet, von denen 78 einen
günstigen Ausgang hatten.

Die Arteria hypogastrica, an deren Abgangsstelle wir uns auf der
vorhergehenden Tafel befanden, ist auf dieser Abbildung bereits in ihre
Aeste zerfallen, welche sich durch ihre Lage zum Durchtritt durch die
incisura ischiadica nach aussen vorbereiten. Letztere liegt nahe, 1!2 Centi-
meter unter der Schnittlinie. Man erkennt daher die Gefässe ausserhalb
des Beckens zum Theil wieder, da eine Anzahl der nach oben steigenden
Aeste, wie der glutaea, doppelt geschnitten wurden. Weiter nach rückwärts
von den Stämmen der glutaea und ischiadica zeigen sich die mächtigen
Durchschnitte der gleichnamigen Venen und zwischen diesen die
Theile des plexus sacralis, die sich weiter unten zum nervus ischiaclicus
vereinigen, der mit seiner grossen Schnittfläche bereits auf dem nächsten
Durchschnitte erscheint.

Je nach dem Grade der Beckenneigung wird bei Transversalschnitten
auch das Iliosacralgelenk verschieden geschnitten. Es kann daher nicht
Wunder nehmen, dass die Formen dieses Gelenks bei Querschnitten des
ganzen Körpers so verschieden ausfallen. Vergl. Pirogoff, a. a. 0. fasc.
III. Tab. 13. Fig. 3. iL ff.

Dass man hier ein wirkliches Gelenk vor sich hat, ist schon aus der
Betrachtung dieses Durchschnittes ersichtlich. Man erkennt deutlich
die Gelenkhöhle, die dieselbe umgebenden Knorpelflächen, und den das
Gelenk fixirenden Bandapparat. Der Gelenkspalt ist ziemlich ausgedehnt,
und links durch den bekannten Vorsprung des Hüftbeins winklig gebogen.
Die Knorpelfläche am Kreuzbeine ist die stärkere, was auf der rechten
Seite vom Zeichner übersehen worden ist.

Vorn liegt das ligamentum sacroiliacum anterius1 eine schwache
Bandmasse, welche nicht viel zu tragen hat, und sich mehr wie eine Verstärkung
des Periostzuges ausnimmt, der vom Kreuzbein nach dem Hüftbein
über das Gelenk weg hinüberzieht. Hinten dagegen findet sich das
mächtige ligamentum sacroiliacum interosseum (Bichat), eingepackt in
den Winkel des Kreuzbeins und Hüftbeinhöckers, und unmittelbar daraufliegend
, und kaum von ihm zu trennen, die Furche auskleidend, aus welcher
die Streckmuskeln der Wirbelsäule entspringen, das ligamentum üiosacrale
posticitm. An diesem kolossalen Bandapparat, der einen ähnlichen Gegensatz
zu den Bändern auf der Vorderseite bildet wie die Bänder der Fusssohle
zu denen des Fussrückens, ist das Kreuzbein an den Hüftbeinen
aufgehangen.

Vergleicht man den beim aufgerichteten Körper nahezu aufrecht
stehenden Beckenring mit einem Gewölbbogen, in welchen die Wirbelsäule
mit ihrer Basis, dem Kreuzbein, eingefügt ist, so bildet allerdings
das Kreuzbein den Schlussstein, insofern es die Lücke zwischen den
Hüftbeinen schliesst. Es verhält sich aber gerade entgegengesetzt wie
ein das Gewölbe von oben her schliessender und deshalb auseinander
pressender Schlussstein. Es richtet seine breite Fläche nach abwärts,
seine schmale nach aufwärts, ist demnach von unten her in den Gewölbbogen
hineingeschoben und durch die starken Bänder darin aufgehangen,
so dass der Körper mittelst der Wirbelsäule nicht die Hüftbeine drückend
auseinandertreibt, sondern wie in einem federnden Apparat befestigt, durch

die Bänder getragen wird, welche die Hüftbeine nach hinten zusammenziehen
und an das Kreuzbein anpressen müssen. Alle Stösse somit, die
von unten her kommen, werden durch diesen Gelenkapparat gebrochen,
so dass sie nur abgeschwächt auf die Wirbelsäule und die dort liegenden
Centraltheile übertragen werden.

In beifolgender Figur gebe ich eine Copie eines meiner früheren
Durchschnitte, der besonders schön diese Gelenkverhältnisse wiedergibt,
Das Bild stammt von dem älteren Manne, dem auch Tafel IX entnommen ist.

Fig". 1. 1. Kreuzbein. 2. Abschnitt des letzten Lendenwirbels. 3. Hüftbeine. 4. arteriae iliacae.
5. venae iliacae. 6. in. m. glutaei max. 7. m. 771. glvtaei med. 8. m. m. iliaci. 9. n. n. crurales.

Bei der grossen Symmetrie, welche die Knochen auf diesem Durchschnitte
zeigen, ersieht man sehr deutlich wie die hinteren Vorsprünge
der Hüftbeine besonders geeignet erscheinen um eine möglichst feste
Verbindung mit dem von vorn her eingeschobenen Kreuzbeine herzustellen
. Man erkennt ferner, da das im Holzschnitte wiedergegebene
Becken an der spina ilei ant. infi und über dem Promontorium getroffen
ward, dass es vorn tiefer und hinten höher geschnitten wurde als das auf
der Tafel abgebildete des jüngeren Mannes. Es musste also bedeutend
weniger geneigt sein als letzteres.

Das Gelenk mit seinen Anomalieen steht in causalem Zusammenhang
mit der ungleichmässigen Entwickelung des Beckens. Es ist
von Litzmann und neuerdings von Spiegelberg die Anchylose dieses
Gelenkes in seiner Beziehung zum schräg verengten Becken untersucht
Avorden. Der überwiegende Druck auf die eine Beckenhälfte kann ebenso
wie die einseitige Atrophie der das Jliosacralgelenk begrenzenden
Knochen zu einer schrägen Verschiebung des Beckens führen. Beide
Factoren stehen in wechselseitigem Causalnexus. Ist der einseitig überwiegende
Druck das veranlassende Moment, so kommt es mit der Verschiebung
der G elenkflächen an einander zum Schwund der benachbarten
Knochenparthieen und Sklerose derselben, welche dann im weiteren Verlaufe
zur Anchylose des Gelenkes führen kann. Auf der anderen Seite
muss der primäre einseitige Knochenschwund ungleiche Vertheilung des
Druckes der Rumpflast und so die bekannten weiteren Consequenzen
nach sich ziehen.

Fig. 2. Durchschnitt eines schrägverengten Beckens mit Anchylose der Iliosacral-
symphyse, (Copie aus Spiegelberg, zur Lehre vom schrägverengten Becken 1871).
1. Hüftbeine. 2. Kreuzbein. 3. Rest der intervertebralen Bandscheibe zwischen 1. und 2. Kreuzwirbel.
4, linke Iliosacraljunctur. 5.foramen nid. sacr. (Text. G. Kreuzbeinkanal.

Fig. 3. Durchschnitt eines schrägverengten Beckens ohne Anchylose der Iliosacral-
symphyse, (Copie aus Spiegelberg, zur Lehre vom schrägverengten Becken 1871).

I.Hüftbeine. 2. Kreuzbein, 3. Kreuzbeinkanal: 4. Foramina Sacr. ant. 5. Gelenkspalte.


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