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TAB. XXIII. XXIY.
Die vier Oberschenkeldurehschnitte, welche auf den beiden vorliegenden
Tafeln abgebildet sind, wurden von einem vollständig normalen
kräftigen Individuum genommen, demselben, welcher im Durchschnitte
auf Tab. IA und IB vorliegt. Der Cadaver blieb vierzehn Tage lang bei
einer Kälte von circa —8° R. im Freien liegen. Nach dieser Zeit war
er vollständig durchgefroren und Hess sich gut durchsägen. Die Abbildungen
wurden nach derselben Methode angefertigt wie alle übrigen.
Die Schnitte wurden so geführt, dass der erste (Tab. XXIII. Fig. I)
unmittelbar unter dem ligamentum Poupartii parallel demselben, also
schräg zur Richtung des Oberschenkels angelegt ward. Erstellt
demnach den Scarpa'schen Schnitt dar und ist zu vergleichen mit dem
von Legendre gegebenen (Anatomie homalographique, PL XXI1I)1 und
dem von Volz abgebildeten (Chirurg. Anatomie der Extremitäten, Taf. VI.
Fig. 3).
Der zweite Schnitt (Tab. XXIII. Fig. II) ward nicht parallel
dem ersten, sondern rechtwinklig zur Achse des Oberschenkels nahe
dem Perinaeum geführt, so class beide Schnitte einen Keil mit nach
aussen liegender Basis und nach innen gelegener Spitze aus dem Oberschenkel
herausnehmen.
Die folgenden Schnitte liefen einander parallel, so dass sie Scheiben
bildeten, von denen jede circa vier Centimeter Stärke hatte.
Sämmtliche auf beiden Tafeln abgebildete Schnitte gehören demnach zu
der oberen Hälfte des Oberschenkels und schliessen sich der Reihe
nach von oben nach unten an einander an. Die übrigen Durchschnitte,
welche bis zum Fusse herabführen, sind bereits in der Zeichnung angelegt
und werden in einer späteren Lieferung herausgegeben werden.
Auch bei diesen Durchschnitten wurde demselben Principe gefolgt
wie bei den übrigen. Es wurde jedesmal die obere Fläche der Scheibe
abgebildet, so dass man bei der Uebertragung auf den eigenen Körper
deichsam von oben in das Bein hineinsieht, und zwar in das der rech-
ten Seite.
Bei dem symmetrischen Baue der Extremitäten können diese Abbildungen
aber auch zugleich für den linken Schenkel gelten, nur in
umgekehrter Richtung, so dass man dann die untere Fläche der
Scheiben wie bei den Amputationsstümpfen vor sich hat.
Stellt man einen Spiegel vertikal, links neben jene Abbildung, so
bekommt man im Spiegelbilde gleichsam einen Durchschnitt des anderen
Beines, und man kann dann leicht erkennen wie der Durchschnitt
durch beide Schenkel geführt von oben her betrachtet sich ausnehmen
würde.
Aus diesem Grunde unterliess ich es auch, beide Schenkel zugleich
zu durchsägen und paarige Abbildungen zu geben, welche die Orienti-
rung ganz bedeutend erleichtern; denn wenn auch die Symmetrie nicht
so strict in der Natur durchgeführt ist, dass nicht einzelne Abweichungen
von derselben vorkommen, so sind sie doch zu unbedeutend um einen
solchen Aufwand an Arbeit und Material zu rechtfertigen.
Was zunächst die Kn ochen Verhältnisse auf Tab. XXIII. Fig. I.
betrifft, so erkennt man leicht den kreisrunden Durchschnitt des Oberschenkelkopfes
, allseitig mit einer dünnen Knorpelschicht umkleidet, und
von der dunkelen Gelenkspalte umgeben. Er wird umgriffen von einem
Theile der Pfanne, an den sich der durchschnittene Körper des Sitzbeins
oder vielmehr dessen oberer Ast der in der Incisura ischiadica
minor getroffen wurde, anschliesst. Der Schnitt traf dann das foramen
ohturatorium und trat schräg durch den unteren Schaambeinast mit welchem
auch die Wurzel eines Schnellkörpers getroffen wurde, heraus. Ausser
der membrana obturatoria wurde daher auch das ligamentum tuberoso-
sacram mit getroffen.
Oberhalb der Hüftgelenkkapsel, erkennt man, durch einen Schleimbeutel
davon getrennt, den m. psoas und damit verwachsen den Antheil
des m. iliacus.
Unter dem äusseren Ende dieses Muskels liegt die durchschnittene
Sehne des m. rectus femoris. Der zweite Ansatz dieses Muskels ist
mit der Bandmasse am Rande des acetabulum verwachsen, und konnte
nicht davon in der Zeichnung getrennt werden.
Oberhalb des m. ileopsoas sieht man die Fascie über den platten
nervus cruralis herab an die Gefässe laufen bis sie unten mit der Fascie
des pectinaeus zusammenstösst und an die Hüftgelenkkapsel sich ansetzt
. Man hat somit hier den Anfang der Schenkelgefässscheide bereits
vor sich, und sieht, wie dieselbe einen prismatischen Raum bildet, dessen
äussere Wand bis zum musc. saxtorius führt. Der Verschluss dieses
Raumes nach aufwärts wird durch ein einfaches Blatt hier angedeutet,
wie es bei der Präparation gefunden wurde.
Nach auswärts von m. sartorius liegt der mit seiner Umgebung
sehnig verwachsene Ansatz des tensor fasciae, und zwischen beiden der
nerv. cut. fem. externus. Darauf kommt der m. glutaeus medius schon
an der stark sehnigen Fascie kenntlich von der er einen Theil seiner
Fasern entspringen lässt. Die schräge Durchschnittsfläche seiner Fasermasse
ist in der Zeichnung nicht ganz deutlich wiedergegeben worden.
Denselben Mangel zeigt auch die Fläche des mehr nach innen gelegenen
m. glutaeus minimus. An letzteren schliesst sich dann weiter die
Sehne des m. pyriformis an und der ebenfalls schräg getroffene gemellus
superior mit dem obturator internus. Derselbe war in seinem winkligen
Verlaufe sehr kenntlich; ebenso klar sichtbar war der darunter gelegene
mächtige Schleimbeutel, welcher durch einen schwarzen Strich auf der
Abbildung wiedergegeben ist. Die eben erwähnte Reihe von Muskeln
bildet die obere Grenze für den Gefäss- und Nervenraum, während die
untere von glutaeus maximus gegeben wird. Man wird den nervus
isehiadicus leicht als solchen auf der Abbildung erkennen.
Die Fascie, welche vom m. glutaeus medius kommt, um den m. glutaeus
maximus zu überziehen, wird auf diesem letzteren bedeutend schwächer
, sie umgeht dann dessen medialen Randwulst um theils sich an das
ligam. tuberoso-sacrum zu inseriren, theils auf die Fascie des m. obturator
internus überzugehen. *
Vor der Adductorengruppe erkennt man die durchschnittenen mm.
pectinaeus, add. longus und brevis. Der adductor magnus ist nicht mit
berührt worden, ( weil der Schnitt oberhalb seines Ansatzes durch das
Becken gegangen ist.
Von m. gracilis ward nur der sehnige Ansatz durchschnitten.
Die arteria acetabuli, welche in dem vorliegenden Falle von der
a. circumflexa femoris interna entsprang, liegt hart am Hüftgelenk.
Sowie in der Zeichnung der Muskeln auf die Richtung der Fasern
Rücksicht genommen wurde, so ist auch die Stärke der Faserbündel
möglichst genau wiedergegeben worden. Vor allen andern springen die
groben Bündel des glutaeus maximus deutlich in die Augen.
Man wird nun freilich aus der vorliegenden Zeichnung nicht viel
entnehmen können, was Bezug hätte auf die Formation des Schenkelringes
und die anatomischen Beziehungen der Schenkelbrüche, sondern
sich damit zu begnügen haben, die Stärke der einzelnen Lagen und ihre
Schichtung zu einander an der vorliegenden Region in ihrem natürlichen
Verhältnisse zu bestimmen. Ich glaube aber auch nicht, dass man mehr
gewonnen haben würde, wenn man den Schnitt etwas weiter hinauf
gelegt hätte. Schon Linhart bemerkt mit Recht, dass zur Darstellung
der Bruchverhältnisse einfache Durchschnitte nicht genügen und so hat
denn auch die Abbildung von Volz, Tab. VI. Fig. 3., welche besonders
darauf gerichtet zu sein scheint, wenig Werth in Bezug auf diesen
Gegenstand, abgesehen davon dass sie die Gefässscheide und die Sehne
des rectus femoris nicht völlig' naturgetreu wiedergiebt.
Tab. XXIII. Fig. 2. zeigt einen rechtwinklig auf die Achse des
Oberschenkels geführten Querschnitt, unmittelbar unter dem trochanter
minor. Man sieht noch die unterste Parthie des musc. iliacus sich breit
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