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Die Theile am Halse gruppiren sich um die getroffenen Körper des
5., 6. u. 7. Halswirbels. Der Beginn der Concavität an der Brustwirbelsäule
führte die folgenden Wirbel von der Oberfläche nach der Tiefe und
entzog sie dadurch dem Schnitte. Am unteren Ende des 7. Wirbels legen
sich die Schnittflächen des m. longus colli an und lagern sich zwischen
Knochen und Schilddrüse. Oberhalb beider Muskeln sieht man zu beiden
Seiten der Wirbelkörper die geschlitzten arteriae vertebrales, von denen die
linke ein bedeutend stärkeres Kaliber zeigt als die rechte. Hinter diesen
Arterien kommen die Wurzeln des plexus brachiolis aus dem Spinalkanale
hervor, um weiter nach aussen den plexus zu bilden, welcher links vollständig
, rechts nur zum Theil durch die Schnittflächen der scaleni bedeckt
ist.
Am weitesten nach aussen und oben liegen die Abschnitte der sterno-
cleidomastoidei mit dem Streifen des platysma; darunter beiderseits das
Lumen der v. jugularis externa.
Von Nerven ist der phrenicus rechts (also links vom Beschauer) vollständig
mit hin weggenommen worden, links ist er zwischen carotis und Lunge
zu sehen. Die kleine Arterie, welche hier in seiner Begleitung herabsteigt,
ist die mammaria interna.
Der vagns dagegen ist auf der linken Seite des Präparates nur angeschnitten
worden, an der Stelle wo er vor dem Aortenbogen vorbeizieht,
um unter demselben seinen ramus recurrens nach aufwärts zu senden; auf
der rechten Seite dagegen ist er quer abgeschnitten, da wo er in die Tiefe
zur Lungenwurzel sich begiebt.
Die Schultergelenke sind so getroffen worden, dass die Säge auf
beiden Seiten vor der cavitas glenoidea herabging, somit von der knöchernen
Pfanne des Schulterblattes nichts zur Ansicht kam. Die knöchernen
Theile der Pfannen liegen hinter einer Frontalebene, welche die Mittelpunkte
der Humerusköpfe schneidet. Auf der linken Seite des Präparates war die
Schulterblattpfanne noch */a Cent, weit von der Schnittfläche entfernt; auf
der rechten Seite dagegen lag sie derselben näher, so dass der limb. carti-
lagineus mit in den Schnitt fiel. Da der Kopf des humerus nach innen und
hinten gerichtet ist, der cavitas glenoidea entgegen, und rechts also der
Schnitt tiefer ging, als links, so ist auch daselbst das tuberculum majus
fast vollständig mit weggenommen. Man hat rechts fast nur die Rundung
des Kopfes vor sich, während links das tuberculum majus als
eckiger Vorsprung sich deutlich markirt. Dem entsprechend ist ferner
rechts auch ein Stückchen vom acromion zu sehen, und die Kapsel des Gelenks
zwischen clavicula und acromion freigelegt, während links der Schnitt
hart vor dem acromion vorbeiging und nur das ligamentum coraco-acro-
miale traf. Bei normalen Verhältnissen ragt das acromion nur wenig
über die Mitte des humerus vor, so dass nach vorn zu ein ziemlich grosser
Theil des letzteren vom knöchernen Dache unbedeckt bleibt. Der Processus
coracoideus ist beiderseits quergeschnitten und auf der Abbildung
zwischen caput humeri und clavicula leicht zu finden. Er ist hinter den
Muskelansätzen abgeschnitten. Trotzdem ist beiderseits der pectoralis
minor noch getroffen, und zeigt namentlich an der linken Thoraxseite eine
mächtige Schnittfläche. Diese Erscheinung ist nur dadurch zu erklären,
dass bei der Unterstützung und Vorwärtshaltung der Schulter der erschlaffte
Muskel sich stark faltete, so dass er mit seinem hinteren Rand nach rückwärts
ausbog.
Die stark gebogenen Schlüsselbeine sind auf beiden Seiten verschieden
getroffen worden. Das rechte, weiter nach vorn ragende Schlüsselbein
zeigt ausser dem Durchschnitte noch das ganze Acromialende, von
dem links nichts zu sehen ist. Hier legt sich die Durchschnittsfläche der
Ülavicularportion vom m. deltoideus vor. Rechts ist dagegen der vordere
Ursprung des deltoideus vollständig hinweggenommen worden. Nur
in seiner äusseren Ausbreitung am humerus ist der Muskel beiderseits gleich-
mässig geschnitten worden; ebenso erkennt man auf beiden Seiten den
zwischen ihm und der Schulterkapsel liegenden Schleimbeutel als gebogenen
schwarzen Strich wiedergegeben. ,
Die Verhältnisse der Kapsel selbst stellen sich folgendermaassen dar.
Da das Schultergelenk unter dem Druck der äussern Luft steht, und im
Innern luftleer ist, so wird der Arm auch durch denselben gegen die Gelenkpfanne
angepresst, und somit kann auch die Gelenkhöhle trotz ihrer Geräumigkeit
und trotz der Schlaffheit der Kapsel bei mittlerer Ruhestellung
nur als Spalt bei Durchschnittszeichnungen erscheinen. Diesen Spalt erkennt
man dicht am Knorpelüberzug des Humeruskopfes. Die denselben umgebende
Bandmasse, die ihre Endigung am Halse des humerus findet, ist die Kapsel.
Während dieselbe am linken humerus wie ein starker Ring vom tuberculum
majus an den Kopf umkreist und auf der Höhe desselben die schräg abgeschnittene
Sehne des biceps mit einschliesst, stellt sich das Verhältnis» am
rechten Schultergelenk etwas anders dar. Zunächst zeigt sich hier ein
Stück des limbus cartilagineus, oben mit scharfer Ecke endigend, um die
sich der Gelenkspalt ein Stück weit herumzieht. Nach aussen davon aber
präsentirt sich der abgeschnittene m. supraspinatus, der die Kapsel mit
seiner Endsehne wesentlich verstärkt, und im Anschlüsse daran weiter nach
aussen die Sehnen des infraspinaius und teres minor so dicht mit der Kapsel
verwachsen, dass keine Trennungslinie angegeben werden konnte. An
der innern Seite des Halses schlägt sich die Kapsel locker um, so dass bei
der Erhebung des humerus die dort liegende Falte ausgeglichen wird.
Die Begrenzung der Kapsel nach der Mittellinie zu wird vom
m. subscapularis gegeben, der auf beiden Seiten getroffen ward und
ziemlich grosse Schnittflächen zeigt% Unter ihm liegt ein Schleimbeutel,
also hier zwischen ihm und der Kapsel. Derselbe steht regelmässig mit
der Gelenkhöhle in Verbindung, eine Communication, die bei dem vorliegenden
Durchschnitte nicht getroffen wurde.
Um die Geräumigkeitd er Kapselhöhle zu zeigen, die am Schultergelenk
in jeder Stellung eine beträchtliche Entfernung des humerus von der
scapula gestattet, wenn eine Flüssigkeit vorhanden ist, welche den dadurch
gebildeten Gelenkraum ausfüllen kann, machte ich an mehreren frischen
normalen Gelenken Talginjectionen, die ich dann frieren liess und durchsägte
. Eins dieser Präparate liegt in der folgenden Abbildung im verkleinerten
Maassstabe vor.
Frontalschnitt durch ein mit Talg injicirtes rechtes
Schultergelenk, vordere Hälfte. 1j2-
1. caput humeri. 2. condylus scapulae. 3. margo anterior scapulae. 4. clavicula.
5. m. deltoideus. 6. m. triceps. 7. m. teres major. 8. m. teres minor. 9. m. infra-
spinatus. 10. m. supraspinatus. 11. m. cucullaris.
Die Abbildung zeigt das nahezu in der Mitte geschnittene rechte
Schultergelenk von hinten her betrachtet. Der humerus befindet sich in halb
erhobener und etwas einwärtsgerollter Stellung, die er von selbst unter
dem starken Injectionsdrucke angenommen hatte, die also der grössten Ca-
pacität seiner Gelenkhöhle entsprach. Die Injection war von der fossa
supraspinata durch die cavitas glenoidea vorgenommen und der Oberarm
vorher an seinem unteren Ende amputirt worden, um nicht durch seine
Schwere die Bewegung im Gelenke zu hindern. Es zeigte sich, dass die
grösste Entfernung des Humeruskopfes von der Pfanne etwas über 1 Cen-
timeter betrug. — Es kann also auch bei Entzündungen, die mit Erguss in die
Gelenkhöhle verbunden sind, eine nicht unbedeutende Verlängerung der Extremität
, oder richtiger ausgedrückt, Senkung derselben zu Stande kommen.
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