Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., B 9529
Die vierte Säcularfeier der Universität Tübingen im Jahre 1877
Tübingen, 1878
Seite: 23
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entwickkmg. Sie zerlegt sich in unendlich viele Aufgaben, deren Lösung der besonderen Anlage
und der besonderen Kraft übertragen ist. Je völliger diese eingesetzt wird, desto näher steht
sie den höchsten Zielen. Unsere deutschen Universitäten würden ihren nationalen Beruf nicht
mehr erfüllen, wenn sie aufhören könnten, diese eigentümlichen Kräfte zu fördern und in das
grosse Ganze einzusetzen. Aber ihre Wirkung ist bedingt durch die Wechselwirkung. So mag
unter den neuen Verhältnissen auch, was der schwäbische Stamm für die gemeinsame Arbeit zu
geben hat, zu leichterer Weckung und freier Entwicklung gelangen. Und so hat denn die neue
Zeit unserer Hochschule nur eine weitere Bürgschaft ihres lebensvollen Bestandes gebracht.

Was wir aber in diesem und anderem Sinne von der einzelnen Universität sagen mögen,
das gründet sich doch alles auf die fortdauernde Lebensfähigkeit dieser Schulen überhaupt, wie
sich dieselbe bis heute bewährt und wie sie ihren geschichtlichen Beruf noch lange nicht ererschöpft
hat. Die deutschen Universitäten sind der Ausdruck eines glücklichen Gedankens,
welcher dem Geiste der Nation entspricht, und zugleich in der Dehnbarkeit der Einrichtung
einen beständigen Fortschritt gestattet. Was man im weiteren Sinne in der Geschichte oder
auch jetzt im heutigen Europa Universitäten heisst, ist ja weder im Ursprünge noch in der
Aveiteren Ausbildung so gleichartig, wie der Name. Fachschulen, einfache oder zusammengesetzte,
verbunden mit dem Unterricht in den allgemeinen Wissenschaften sind die geschichtlichen Anfänge
. Aber im Lauf der Geschichte ist daraus etwas sehr verschiedenes in den einzelnen Ländern
geworden. Die englischen Universitäten haben keineswegs ihre Aufgabe über die sämmt-
lichen Berufsstudien ausgedehnt. In Frankreich andererseits ist die Fachschule das letzte geblieben
. In Deutschland dagegen hat man in der Zeit unserer Stiftung schon nicht anders
gewusst, als dass die Hochschule den Unterricht für die verschiedenen Arten des höheren Lebensberufes
geben, und dass sie auf diesen durch die allgemeinen Studien vorbereiten, und so die
allgemeine Bildung mit jenen Berufsarten verbinden solle. Gerade in dieser Verbiiidung liegt
dann die unendliche Fruchtbarkeit und Entwicklungsfähigkeit der Einrichtung. Sie bewirkt,
dass die allgemeine Bildung sich beständig neu verbreitet, aber auch dass sie selbst sich nicht
in fremde Bahnen verirren kann, sondern dem wirklichen Leben nahe bleiben muss. Sie bewirkt
ebenso, dass das Berufsstudium niemals zu der blossen Abrichtung und Ausrüstung mit gewissen
Fertigkeiten werden kann, dass es selbst immer wieder auf die Forschungswege der reinen Wissenschaft
zurückgewiesen und hiedurch verjüngt werden muss. Eben darauf beruht es dann,
dass die hohe Schule in keiner anderen Nation eine so grosse Bedeutung für das öffentliche Leben
erlangt hat, wie in der deutschen. Wir mussten uns wohl eine Zeit lang sagen lassen, dass
wir nur das Volk der Schule seien. Heute dürfen wir es als bewiesen annehmen, dass gerade
nicht zum wenigsten in dieser Schule eine Thatkraft der Nation grossgezogen ist, wTelche um
ihrer sittlichen Natur willen die Grösse dieser Nation sicherstellt.

Die Stiftung unserer Hochschule fällt aber nicht nur in eine Zeit, in welcher der glückliche
Gedanke dieser Einrichtung schon fest stand, sondern auch das Losungswort für die Wissenschaft
der Neuzeit schon ausgegeben war. Es ist das Zeitalter der Entdeckungen, Entdeckungen in der
gegenwärtigen Welt und in der menschlichen Vergangenheit. Die freie Lust am Lernen und
Wissen, wie sie sich in jenem Worte des edlen Stifters ausspricht, war aufgegangen, der Trieb,
aus den wirklichen Quellen zu schöpfen, war erwacht. Und so gewaltig und wahr ist dieses
ausgegebene Wort, dass es diese Jahrhunderte hindurch als Führer dienen konnte, dass wir heute


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