Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., B 9529
Die vierte Säcularfeier der Universität Tübingen im Jahre 1877
Tübingen, 1878
Seite: 30
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  (z. B.: IV, 145, xii)



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Neckar erhebt, macht einen eigentümlichen Eindruck. Auf der einen Seite erinnert vieles in
dem Bau der Häuser und in den gebogenen Linien der Strassen an vergangene Zeiten und frühere
Geschlechter. Auf der anderen Seite weckt das frische junge Grün der Kränze, welche die
Häuser schmücken, auch die Hoffnung auf ein frisches, fröhliches Leben, das der Zukunlt zugewendet
ist, und die neuen Stadttheile, insbesondere die vielen neuen und stattlichen Gebäude
der Universität zeigen uns auch den Zusammenhang mit dem modernen Leben. Wir begreifen
es, dass die Würtemberger gerne nach Tübingen gehen, sich da heimisch fühlen und dass ihr
Herz stärker schlägt, wenn sie wieder dahin zurück kehren. Man rühmt es ja überhaupt den
Schwaben nach, dass sie ein ungewöhnlich starkes Heimathsgefühl haben und dass sie zugleich
ein lebhaftes Bewusstsein ihrer Eigenart besitzen. In der That hat das Land mit den vielen
Hügeln und Thälern, den Wäldern und Feldern und den ruhig gleitenden Flüssen, die nach
Westen und Norden in den Rhein und nach Osten in die Donau münden, manche stille Reize.
Nicht mit Unrecht hat es der grosse Tübinger Dichter ein Paradies genannt. Die Söhne dieses
Landes haben guten Grund, ihr Land zu lieben und ein Recht, sich ihrer Eigenart zu erfreuen.
Die deutsche Nation aber ist gross genug, um auch die Eigenart ihrer Stämme nicht etwa nur
ertragen zu können, sondern diese Mannigfaltigkeit, welche den Reichthum ihres Wesens offenbart
, zu lieben. Charakteristisch für die schwäbische Art ist auch diese Verbindung von zäher
Bewahrung der historischen Ueberlieferung und pietätsvoller Treue mit einem offenen geistigen
Blick in den Fortschritt des Lebens. Ein feinfühliger Natursinn, der auch am Einzelnen und
Kleinen mit sinniger Neigung hängt, verbindet sich in dem schwäbischen Stamm mit einem
merkwürdigen Zug nach dem Idealen wie dem Streben nach hohen und weitleuchtenden Gedanken.
Naivität und Originalität sind keine seltenen Erscheinungen in Schwaben. Wir verstehen daher
das stolze Stammesbewusstsein der Schwaben. Wir wissen, dass der schwäbische Stamm durch
seine geistige Anlage und durch seine Werke unter den deutschen Stämmen hervorragt. Unter
den Wissenschaften gibt es zwei gleichsam centrale, die auf alle anderen bestimmend und leitend
einwirken, die Theologie und die Philosophie. In beiden haben in unserem Jahrhundert für Deutsch-
land schwäbische Gelehrte und Denker die Führerschaft übernommen. Es ist das ein beredtes
Zeugniss für die reiche Begabung dieses Stammes.

Das Fest, das wir feiern, ist der Erinnerung an vergangene Jahrhunderte gewidmet. Wenn
wir aber der Vergangenheit dankbar gedenken, so dürfen wir heute mit zuversichtlicher Hoffnung
auf die Zukunft schauen. Wir haben das Vertrauen, dass dieses Land auch in Zukunft
neue Fortschritte machen werde, des Wissens, der Geistesfreiheit, des sittlichen Lebens zum
Segen des grossen deutschen Vaterlandes, das alle deutschen Stämme zum deutschen Volke einigt,
wie zum Frommen der engeren Heimath. Ich lade Sie ein,

diesem gesegneten Lande Würtemberg
ein donnerndes Hoch auszubringen.

Nach beendigtem Festmahle sogen Sich Ihre Königlichen Majestäten nach Bebenhausen zurück,
von wo jedoch Seine Majestät der König um 8 Uhr tvieder in Tübingen erschien, um an dem
im akademischen Beithause veranstalteten grossen Commers der Studentenschaft Theil zu nehmen.


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