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Die vierte Säcularfeier der Universität Tübingen im Jahre 1877
Tübingen, 1878
Seite: 33
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auch nur für solche Doctoren, welche ihre Würde zu Anmassung und Aufgeblasenheit verleite.
Dazu sei aber in der That kein Grund vorhanden, wenn sie bedächten, dass sie nicht Herren
und Meister, sondern nur Diener und Verkündiger der Wahrheit seien. Die Wahrheit sei eine
überlieferte, die christliche eine geoffenbarte. Das Lehramt, das hier unvermerkt an die Stelle
des Doctorates tritt, sei nothwendig und in der Schrift selbst angeordnet; wenn aber die Sache
unentbehrlich sei, so könne der einfache Name keinen Anstoss erregen. Die Kandidaten sollten
also getrost, nur ohne Hochmuth die Doctorwürde annehmen.

Es zeigte mir so gleich der erste Blick in das alte Buch von unserer letzten Säcularfeier,
welche Veränderung in der Schätzung der Doctorwürde seitdem vorgegangen sein muss, wenn
man damals eine Beruhigung über das Bedenken nöthig fand, ob die Annahme derselben überhaupt
mit der christlichen Demuth und Bescheidenheit vereinbar sei.

Aber auch in anderen Punkten drängt sich der eingetretene Wechsel in dem Institut der
Doctoren lebhaft auf. Die Promotionen waren vor 100 Jahren noch ein Haupttheil der ganzen
Festfeier. Sie nahmen zwei volle Tage in Anspruch und Herzog Karl hat ihnen von Anfang
bis zu Ende angewohnt. Es war eine Art von dramatischen Aufführungen, bestehend in einer
Reihe von jetzt längst vergessenen aber sinnreichen und ansprechenden Ceremonien und symbolischen
Handlungen. Nach erstandener Prüfung und Disputation hatte der Kandidat feierlich
in der Aula zuerst den Doctoreid abzulegen, worin sehr verschiedenartige Dinge, Rechtgläubigkeit
, Treue gegen den Landesherrn, Ehrerbietung gegen die akademischen Behörden und der
Dienst der Wahrheit angelobt wurden, um dann sechs einzelne Acte der Aufnahme zu durchlaufen
. Sie heissen cathedra, pileus, über apertus, liber clausus, annulus, osculum oder Katheder,
Hut, aufgeschlagenes Buch, geschlossenes Buch, Ring und Kuss. Sie folgten sich nicht stets in
der gleichen Ordnung und auch ihre Deutung in den Begieitworten des Promotors war eine
wechselnde. Der Kandidat betrat die Stufen des Katheders und blieb vor der obersten stehen,
zum Zeichen, dass die Lehrlings- und Schülerzeit nun vorüber sei und er in die Reihe der Meister
und Lehrer eintrete. Es wurde ihm dann der Doctorhut aufgesetzt, das Baret, die purpurfarbige
Mitra; der Hut wurde als Sinnbild der Freiheit gedeutet; denn der unfreie Mann hat vor
Andern barhäuptig zu erscheinen; dem üoctor kommt es zu, sein Haupt zu bedecken vor Jedermann
. Dann wurde ihm ein aufgeschlagenes Buch vorgelegt und er daran erinnert, dass er sein
Wissen aus der Ueberlieferung, aus den alten Meistern geschöpft habe und niemals aufhören
dürfe, aus diesen Quellen fortzulernen; sodann aber wurde ihm dasselbe Buch auch geschlossen
vorgezeigt mit der Deutung, dass er das Gelernte nun im Kopf haben solle und selbstständig an der
Hand der Erfahrung zu erproben und fortzubilden habe. Hierauf wurde ihm ein goldener, mit
Edelsteinen geschmückter Ring an den Gold- oder Doctorfinger gesteckt; er wurde in verschiedener
Weise gedeutet, bald als eine Auszeichnung, welche nach Art der Ringe der römischen
Ritter die den Doctoren von den Kaisern zugestandene Gleichstellung mit den Adeligen ausdrückte
, bald und häufiger als ein Verlobungsring, wodurch der Doctor je nach seiner Facultät
der Jungfrau Justitia oder Hygieia oder Sophia oder Fides angetraut und zur unverbrüchlichen
Treue verpflichtet wurde. Den Schluss bildete Umarmung und Kuss von Seiten des promovirenden
Professors als Zeichen der völligen Aufnahme des nun gleich und ebenbürtig gewordenen Zunftgenossen
. Ausserhalb der akademischen Hallen folgte dann in minder feierlicher Weise noch
das Nachspiel des Doctorschmauses. Nur eben dieser letzte Act, obwohl in ihm noch am we-

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