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Die vierte Säcularfeier der Universität Tübingen im Jahre 1877
Tübingen, 1878
Seite: 34
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nigsten von jener höhern Symbolik zu erkennen ist, hat sich längere Zeit auch in unser Jahrhundert
herein erhalten. Alles Uebrige von jenen Cereraonien, auf deren immer wieder variirende
Auslegung damals viel Scharfsinn und rednerische Kunst verwendet wurde, ist bei uns längst
verschollen und nur noch den wenigen Liebhabern solcher Studien als Curiosum bekannt. In
unserem nüchternen und praktischen Zeitalter erfolgt die Aufnahme eines neuen Doctors nur
dadurch, dass ihm das Diplom durch einen Diener oder die Post ins Haus gebracht wird.

Ich komme zu einem weiteren Unterschied von damals und jetzt, der mich dem Ziel meiner
Rede näher führt und die Gründe der mit dem Doctorat seitdem vorgegangenen Veränderung
unmittelbar betrifft. Es gab damals keine Ehrenpromotionen. Die Doctoranden waren die Kandidaten
, die ohnediess in dem betreffenden Jahr ihre Studien vollendeten oder von der Philosophie
zur Theologie übertraten; der Unterschied war nur, dass die Facultäten diese Acte gemeinsam
und feierlicher als sonst begiengen. Es gab aber nicht nur zufällig keine Doctoren honoris
causa, sundern es konnte keine geben. Wenn das Doctorat nicht eine blosse Auszeichnung,
sondern der normale Abschluss des akademischen Bildungsgangs war, wenn es bestimmte Rechte
und Privilegien verlieh, die Befähigung zum Richteramt, zur ärztlichen Praxis, zum Lehramt in
sich schloss, so konnte man nicht daran denken, solche Befugnisse Jemand auch ohne Prüfung
und Gegenleistung zu bewilligen. Wer seine Studien absolvirt hatte, der war der Regel nach
schon Doctor, den Nichtstudirten dazu zu machen, erschien als unstatthaft. Für einen Ehren-
doctor war nirgends ein Plaz. Allerdings hatte die Universität gerade in jener Zeit eine sehr
gefährliche und überlegene Rivalin an der hohen Karlsschule; diese besass aber wenigstens damals
noch nicht das Recht, akademische Grade zu verleihen, der Herzog musste sich mit Prämien
, abgestuften Ehrenzeichen und Orden behelfen; er konnte aus seinem Eleven Schiller
zwar einen Regimentsarzt machen, aber keinen Doctor der Medicin. Nach Stuttgart an Lehrer
und Schüler der hohen Karlsschule Doctordiplome gelangen zu lassen, waren die hiesigen Facultäten
sehr weit entfernt. Gerade um die Zeit der lezten Säcularfeier hatte die Universität
auch ihren Kampf ums Dasein zu bestehen und ohne die feste Burg des Stiftes wäre es wohl
um sie geschehen gewesen. Die Festfeier selbst macht den Eindruck, wie wenn man von Seiten
der Hochschule ganz besonders bemüht gewesen wäre, die Gunst und Huld des Herzogs zu gewinnen
und ihm die Lebensfähigkeit der Institute so glänzend als möglich vor Augen zu stellen,
und wie wenn andrerseits auch der Herzog sich mit allen Mitteln seiner gewinnenden Persönlichkeit
bestrebt hätte, die Unzufriedenheit über die Lahmlegung der mit der Verfassung und
Geschichte des Landes eng verwachsenen Hochschule durch sein concurrirendes Institut zu beschwichtigen
.

Wenn Würtemberg bis zum Schluss des vorigen Jahrhunderts wie in vielen andern Dingen
so auch in Betreff der akademischen Grade und des Doctorats strenge an den alten Gebräuchen,
an manchen grossen und kleinen Zöpfchen festhielt, so war es doch auch wieder unter denjenigen
deutschen Ländern, in welchen mit der Ueberlieferung im neuen Jahrhundert am frühsten und
vollständigsten gebrochen wurde. Der moderne Staat wollte und konnte seine Anforderungen
an den öffentlichen Dienst nicht länger von dem veralteten Institut der akademischen Grade abhängig
machen. Es waren die Staatsdienstprüfungen, welche das Doctorat in seiner alten Bedeutung
bei uns mit Einem Schlage vernichtet haben. Obgleich den Facultäten an diesen staatlichen
. Prüfungen bei uns ein grösserer Antheil als anderwärts verblieben ist, so wurde doch


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