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Die vierte Säcularfeier der Universität Tübingen im Jahre 1877
Tübingen, 1878
Seite: 75
(PDF, 20 MB)
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75

GRAZ.

Gratulationsschrift | der | Eberhard-Karls-Universität | Tübingen | zur vierhundertjährigen Stiftungsfeier
| August 1877 | gewidmet j von der | Karl-Franzens-Universität | Graz | .
Enthält: j Vorauer Bruchstück des Wigalois | herausgegeben | von | Dr. Anton Schönbach, j
ordentlichem Professor der deutschen Sprache und Literatur.
Graz , 1877. | Verlag von Leuschner & Lubensky | K. K. Universitätsbuchhandlung.

DEM | RECTOR MAGNIFICUS UND SENATE | DER UNIVERSITÄT | TÜBINGEN | ZUR VIERTEN SÄCULAR-
FEIER | HERZLICHSTEN FEST GRUSS!

Zu dem hohen Feste, das ein freundliches Geschick Ihnen nun zu feiern vergönnt, nahen glückwünschend
auch wir uns, aus dem Südosten der Länder deutscher Zunge. Wir folgen damit nicht allein löblichem
Brauch, noch mehr dem Drange des Herzens.

Erst in unserm Jahrhundert ist es zur Sitte geworden, für das Leben des Einzelnen wie das grosser
Körperschaften Haltpunkte festzustellen, von denen aus rückblickend das Erarbeitete im Grossen zusammen-
gefasst, vorwärtsschauend das Ziel künftiger Tätigkeit in zuversichtlicher Hoffnung bestimmt werden kann,
und gerne verknüpft sich dann zufriedene Fröhlichkeit mit ernsthaften Gedanken. Unser Jahrhundert fühlt
den raschern Wandel der Zeit und der Dinge, welchem seine Geschlechter unterworfen sind; es sieht, wie in
sich drängender Flucht menschliche Werke und Anschauungen, beide für unumstösslich gehalten, sich ändern,
wie Forderangen, die heute das höchst Erreichbare zu ergreifen scheinen, morgen als geringe Vorstufe zu neuem
Wünschen und Streben gelten; es bedarf kleinerer Augenblicke aufathmenden Stillestehens, wäre es auch nur,
um sich zu versichern, dass der Boden unter den Füssen nicht wanke. Die Tätigkeit eines Menschen und einer
Generation wird heute nicht als für sich abgeschlossenes Einzelngewächs angesehen, niemals war die Ueber-
zeugung vom innigsten Zusammenhange aller neben einander bestehenden, auf einander folgenden Arbeitskreise
so allgemein und unter die Voraussetzungen alles Forschens aufgenommen als jetzt. Fehlen uns die natürlichen
Ruhepunkte, welche die alte Zeit in dem Erlöschen der Arbeit des Einzelnen fand, so sind wir gezwungen,
uns andere zu schaffen, durch die uns gestattet wird , die Stelle genau zu bezeichnen, an welche wir herangeklommen
sind und aus der Umschau Kraft zu schöpfen für ein stetiges Dringen in ungemessene Weite.

Wem möchte solches besser ziemen als einer Hochschule, die mehrere Jahrhunderte ruhmreich durchschritten
hat, in der sich alle die Männer eines Landes zusammenfanden, welche an geistiger Arbeit fördernd
und führend Anteil nahmen und wiederum die, denen es oblag, das erworbene Gut von Wissen und Glauben
an die harrende Menge auszitteilen, es zum Heile des Ganzen verwertend? Der Hochschule Tübingen aber, in
einem der schönsten deutschen Länder gelegen, emporgewachsen aus einem Stamme von hoher schöpferischer
Begabung, war ganz insbesondere fruchtbringendes, segensreiches Gedeihen verliehen. Auch wir in der Ferne,
an des deutschen Wesens südöstlichen Marken den Pflichten akademischen Amtes dienstbar, haben uns Ihres
Wirkens zu freuen gehabt. Zum Borne Ihres geistigen Lebens und Schaffens pilgerten lange vor drei Jahrhunderten
bereits zalreiche Söhne des Steierlandes und seiner stammverwandten Nachbarschaft, um allhier
Geist und Gemüt zu nähren und zu erquicken; aus Ihren Hallen wanderte vor nahe dreihundert Jahren Johannes
Kepler zu uns herüber, sechs Jahre hier lehrend und forschend hat er von dem Glänze seines unsterblichen
Ruhmes auch unserer Stadt einen freundlichen Schimmer zurückgelassen. Die hiesige landschaftliche
Schule, welche einen Kepler besass, ward von der Universität Tübingen mit gütiger Fürsorge begleitet. Für
Einrichtungen und Lehrweise spendete Tübingen an Graz Vorschläge und Winke.

So haben wir vorzüglich Anlass, an dem Feste Ihrer Hochschule uns mitzufreuen. Sie werden in der
gelingen Gabe, welche wir Ihnen senden, ein bescheidenes Zeichen der warmherzigen Teilnahme erkennen,
durch welche Ihr Fest auch für uns eines wird und werden im Jubel der Feier auch der Arbeitsgenossen an
der Universität Graz gedenken.

Mögen der hohen Schule von Tübingen, uns ein leuchtend Vorbild, noch unendliche Tage frohen Gedeihens
beschieden sein!

Graz, am 31. Juli 1877.
Dr. Franz Pölzl, Dr. Franz Krön er, Dr. Adolf Schauenstein,

Dekan der theol. Fakultät. d. Z. Prorektor. Dekan der medie. Fakultät.

Jul. Michel, Dr. Hubert Leitgeb,

Dekan der jur. Fakultät. Dekan der phil. Fakultät.

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