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führen. Dann wird auf unser Problem das volle Licht der Aufklärung fallen, vorausgesetzt
freilich, dass in dem Quellenmaterial nicht wesentliche Lücken bleiben, d. h. wertvolle Ausgaben
des A verloren gegangen sind.
Da wir es mit der lateinischen Uebersetzung eines Vespuccibriefes zu tun haben, so
drängt sich uns die Frage auf: Wer hat ihn übersetzt?
Auf Seite VII. i des F stehen die klaren Worte: Ex italica in latinam linguam iocun-
dus interpres hanc epistolam vertit. Da das Wort iocundus mit einem kleinen Anfangsbuchstaben
gedruckt war, so hielten es die ersten Uebersetzer des A für ein Eigenschaftswort
und verdeutschten demnach diese Stelle mit «der hübsch Tollmetsch>< (Dresd. Druck 14, Nürnb.
D. XI) und mit «ein guter Schwatzman» (Strassb. D. i5o5 c. 10, Strassb. D. i5o6 c. X).
Weit verbreitet worden ist dieser Irrtum durch die Vicentina \5oj, wo die Worte fol. 107
lauten: «el iocondo interprete». Ruchamer fol. 53 Hess in seiner Uebersetzung der Paesi
diese Angabe weg, mathurin du redouer (c. CXXIII des Hamb. Ex.) brachte sie in der Fassung:
le ioyeulx interpreteur. Dass es sehr nahe lag, das Wort iocondo so zu übersetzen, ersehen
wir aus H. Sauval (Hist. et rech, des antiq. de la ville de Paris 1724, S. 23o), wo der Eigenname
Giocondo auch mit Joyeux wiedergegeben wird. Das It. Port. c. CXXIIII und Grynäus
fol. i3o sprechen von einem «fidus interpres». Ramusio stutzte jedenfalls über diese sonderbare
Wendung im Schlusskapitel seiner Quelle und Hess es deshalb weg. Daher fehlt diese
Stelle auch bei Bandini. Dieser hat, trotzdem er den Mundus so gering schätzte, dass er ihn
eines Abdruckes nicht für würdig hielt, doch zuerst herausgefunden, dass Jocundus der Name
des Uebersetzers ist. (Kellners Randbemerkung Jocuntus zeigt vielleicht, dass er schon das
Richtige ahnte.) Zu dieser Wahrheit wurde Bandini zweifellos durch den Lettera (Band.
76) geführt, wo Vespucci seinen Landsmann Giuliano di Bartholomeo del Giocondo in Lissabon
erwähnt. Bandini (S. LI I) vermutet, dieser Italiener sei der im A genannte Jocundus. Ueber
ein Jahrhundertlang ist diese Hypothese weiter verbreitet worden. Eine andere Meinung taucht
zuerst bei Meusel auf, der 1787 in seiner Bibl. Histor. v. III. P. I. 265 bemerkt: «Auetor ver-
sionis (des A) fuisse dicitur Jocundo sive Joh. Giocondi». Woher diese Notiz stammt, die
Brunet in seinem Man. du libr. V, 11 54 ohne Quellenangabe wiederbringt, ist nicht ersichtlich
; vielleicht aus Tiraboschi, Storia della letteratura italiana, die zuerst in Modena 1772—82
erschien. Meusel wies damit auf den Dominikaner Fra Giovanni Giocondo aus Verona hin,
von dem schon Foscarini in seiner Lea. veneziana Päd. 1752 v. I. 377 gesprochen hatte und
dessen wissenschaftliche Leistungen von Tiraboschi (Storia Fir. 1807, VI. P. 1, 2o3, P. II,
1144—49) ins hellste Licht gerückt worden waren. Aus Sauval (Hist. etc. 23o) wissen wir,
dass dieser Frater Jucundus Veronensis, ein «vir singulari ingenio ac bonarum literarum
studiosissimus», in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts in Paris beim Baue von zwei Seinebrücken
mit tätig gewesen ist, wobei wir es dahin gestellt sein lassen, ob nach Sauval «frere
Joconde n'avoit que la conduite des pierres qu'on employait». A. de Montaiglon hat zuerst
den Veroneser Architekten als den Uebersetzer unseres Vespuccibriefes bezeichnet. Dieser
gründliche Kenner alter Drucke führt in der Zeitschrift L'Intermediaire des chercheurs etc.
Num. 4 (1. April 1864) S. 63 aus dem Gedächtnis und daher mangelhaft den Titel der von
ihm gesehenen Lambertausgabe an und fügt hinzu : «G'est la traduetion latine de la lettre
italienne d'A. Vespuce ä Laurent de Medicis sur la decouverte de l'Amerique, faite par Jocon-
dus, c'est-ä-dire Fra Giocondo l'architecte du pont Notre-Damc». Den unumstösslichen Beweis
aber für diese Behauptung erbrachte erst R. H. Major in seinem im Mai 1864 verfassten
Memoir on a Mappemonde by Leonardo da Vinci (Archäol. Lond. 1866 v. XL). Der englische
Gelehrte hatte das Glück, im Britischen Museum ein Büchlein zu finden, dessen Wert
bereits H. Stevens 1862 erkannt hatte. Es führt den Titel : «Speculi orbis . . . declaratio et
canon. Dieses in London liegende Werkchen gilt auch heute noch als Unikum, trotzdem Wieser
(Magalhäes-Strasse etc. Innsbruck, 1881, S. 118) bereits 1881 auf die Exemplare in der Kaiserl.
Bibliothek zu Wien und der Universitätsbibliothek zu Leipzig hingewiesen hat. Dem zuletzt
genannten, das die Bezeichnung Sam. Mathem. 34, Nr. 4 trägt, entnehme ich fol. III recto
die Worte: «Et circumferunt bibliopolae . . . quoddam epigramma in libello Vespucij (dem
A !) per Jocundum Veronensem, qui apud Venetos architecti munere fungitur ex Italico in
latinum sermonem verso impressum». Das Buch wurde 1507 in Strassburg gedruckt, und
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