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professoralen Leuchte gebracht, wenn bei seinen Kommilitonen
die Liebe und der Suff nicht eine so aufreizende Rolle gespielt
hätten. Francois, dem die miese Quängelei eines magenkranken
Spielverderbers nie gelegen hat und der für den tierischen Ernst
des Lebens höchstens ein Achselzucken aufbrachte, entzog sich
keinem kommunen Streich, selbst wenn er dafür den Lohn beim
Advokaten per Saldo opfern mußte. Bei den Gelagen der Burschenschaften
spielte der Rundgesang eine wichtige Rolle und
Francois entsann sich seiner musikalischen Talente und nahm die
Laute zur Hand. Mit der vorhandenen Literatur auf dem Gc
biet der Freß', Sauf- und Venuslieder war nicht viel anzufangen,
da säuselte es im besten Falle nach Lavendel, schmeckte zuckrig
und war stubenrein. Villon griff ein und schnitt sich eigene
Texte zurecht. Die ergingen sich im Tempo der frischeren Jungend
, waren keck in der Erfindung und höchst sachlich im Vor'
trag. Der Jargon durfte alle Dinge mit dem richtigen Namen
benennen, ohne Umschreibungen, Schnörkel, ölige Drücker.
Sie waren die Vorläufer des sogenannten volkstümlichen Liedes,
der Soldatenballaden und Räuberromanzen. Leider hat der toi'
le Kerl von diesen Meisterliedern keine Abschriften hinterlassen.
Sie spukten wohl noch ein Jahrhundert lang durch die Markt'
buden, Kaschemmen, Zuchthäuser und Marschkolonnen her'
um und befruchteten die schöne Literatur und Künste. Sie las'
sen sich als befeuerndes Element bei Ronsard und Antoin Gi'
rard, ja sogar bei der sonst durchaus originalen Lovize Labe („der
schönen Lyoneser Seilerin ') und sogar bis Beranger nachweisen.
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