http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/villon1931/0017
Leib/ und Kammerkompositeur ernannt. In dem feuerroten
Samtrock, den er jetzt trug, sah er beinahe fürstlicher als der
Herzog aus. Er fand sich sehr schnell in dieser Umgebung zu/
recht, d. h. er tat was er wollte und ging dorthin, wo es ihm be/
liebte. In seinem Blut war der Teufel, will sagen die Spannung
des Widerspruchs, ewig rasant, war die Quelle der Unruhe, die
ihn nie und nirgends seßhaft werden ließ. Er bewegte sich viele
Strecken seines Lebens in jenem luftleeren Raum, wo der Wirbel
des Bösen und die Drehung des Göttlichen sich einander an/
zogen und wieder abstießen, mit allen Ferngeräuschen und Hin/
terklängen, Verwirrungen und Überschneidungen, mit dem
Auftrieb zum Ewigen und dem Absturz ins Imaginäre. Diese
Dämonie der Vielfalt, schmerzhafte und heitere Lebendigkeit,
Sonntag und grauer Werktag, sind in seinem Werk verdichtet;
in seiner äußeren Form und in seiner inneren Wesenhaftigkeit.
Hier, im höchsten Spannungskreis der ewigen Kurven liegt auch
die Wurzel zu der Erkenntnis, weshalb Villon kein umfang/
reiches Werk schreiben konnte, kein Epos, kein Drama.
Er vermochte wohl, sich auf die Geschehnisse des Tages zu kon/
zentrieren, aber alles, was weithin seine Arme nach ihm aus/
spannte, nahm er mit Feindseligkeit auf und zerbrach es nach
erbittertem Kampf. Der Weg seines Blutes strich über denÄqua/
tor und war voller Täler und Gipfel. Sein Leben war eine von
Gott den Menschengeschicken in die Feder diktierte Dichtung,
seine Dichtung war das über den Menschen hinaus bezwungene
Leben. Er lebte es ohne Berechnung, ohne das leiseste Gefühl
13
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/villon1931/0017