http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/villon1931/0019
animalischen Brünsten mit einer wahren Besessenheit hin. Seit'
samer Weise hatte das Fräulein dem Meister Villon aber ver'
schwiegen, daß sie auch mit dem Bischof ein kleines Schäfer'
Verhältnis hatte. Die Zeit der jungen grünen Liebe war bei
dem hohen geistlichen Herrn zwar längst abgekühlt, aber so
alle zwei, drei Monate mußte Fräulein Helaine den Tribut doch
noch entrichten, und als sie in der Rage mit dem viel netteren
Francois den Termin einmal versäumt hatte, schickte der geist'
liehe Herr einen sehr energischen Gerichtsvollzieher. Jetzt platze
te die Bombe, Helaine flennte und der Meister Villon tobte.
Nicht, weil das Fräulein etwas, was ihn im Grunde nicht sta'
chelte, zu spät an die Glocke gehängt hatte, sondern er ärgerte
sich über den fleischhungrigen Bischof und seinen ungeschliffen
nen, schnodrigen Zolleinnehmer und Vollziehungsbeamten.
Er brannte der frechen Person kurzerhand ein obszönes Zeichen
in die Stirn, steckte ihm ein Spottgedicht in die Satteltasche und
machte dem Gaul Feuer unter die Beine.
Nach kaum vierundzwanzig Stunden Frist erschien der also her'
ausgeforderte Kirchenherr an der Spitze einer Schwadron schwarz
zer Reiter und holte Villon aus dem Bett. Es lockte ihn, diesem
seltsamen Raubvogel die stolzen Flügelfedern zu rupfen. Einem
frechen Krummschnabel sollten für alle Zeiten die Flötentöne,
das krächzende Gelächter genullt werden.
Villon zerschlug seinen Sarraß auf einem Dutzend Reiterschä'
del. Er unterlag der Übermacht, und da behing man ihn fix
mit einem halben Zentner Eisen und sperrte ihn in das dunkel/
15
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/villon1931/0019