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ruhigen Menschen, unendlichen Viehweiden und Flachsbleiche'
reien, hatte Villon kein Verlangen, ein großes Aufheben davon
zu machen, wer er war, woher er kam und wohin er weiter zu
walzen gedachte.
Bei einem Briefmaler hatte er eine ruhige Unterkunft gefunden,
konnte sich sammeln und viel Zeit auf seine Weiterbildung ver>-
wenden. Es ging keinem etwas von seinem Werk, seinem Schick'
sal und Alltagsgeschehnissen verloren. Aus dem typischen Au'
genblicksvielfraß war ein besinnlicher Lebensbetrachter geworden;
aus seinen Seitensprüngen und schwindelerregenden Kurven eine
schnurgerade Landstraße mit breiter Baumallee.
Es wird berichtet, daß er an der Universität Vorlesungen abhielt
und sich damit sein Brot verdiente. Er wäre vielleicht mit den
Jahren ein untadeliger Beamter geworden, der Vagabund Villon.
Ein Vorstandsmitglied der Schützengilde, ein wohlwollender Ge^
schworener bei Sensationsprozessen. Wenn er gedichtet hätte
während dieser seltsamen Rekonvaleszenz, oder wenn uns von
dem in jener Zeit Gedichteten etwas erhalten geblieben wäre,
vielleicht müßte man einen weiten Sprung tun, um schnell dar'
über hinweg zu kommen.
Keine Gedichtzeile ist bekannt geworden, nur spärliche Brief'
post ging an den Kriminalrat Dubois, der war der einzige, dem
er von diesen beiden Stationen Brüssel und Antwerpen und spä'
ter auch aus England geschrieben hatte.
Wir wissen auch nicht, ob er schon in Brüssel, oder erst in Ant'
werpen auf die Schauspielertruppe stieß, an deren Zigeunertum
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