Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., TM 87/3765
Villon, François; Zech, Paul [Sonst.]
Die Balladen und lasterhaften Lieder des Herrn François Villon in deutscher Nachdichtung
Weimar, 1931
Seite: 35
(PDF, 24 MB)
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  (z. B.: IV, 145, xii)



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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/villon1931/0039
Erden und im Blut ihrer Bewohner nicht seinesgleichen haben.
Wenn er diesen Erkenntnissen sich hingab, gab er sich hin mit
der reinen Seele eines Kindes. Er war, wie alle schöpferisch posi'
tiven Leute, voller Zweifel über die letzte Zweckform des Da'
seins. In solchen Krisen überfror eine schauervolle Einsamkeit
sein Herz. Es entspann sich ein mörderischer Kampf zwischen
Gefühl und Wissen, zwischen Hemmung und Uberschwang.
Das Blut, daß in solchen Momenten immer bei den stärkeren
Strömungen auf der Lauer steht, entschied sich für die Sendung
des Herzens. Aus dem gelockerten Ventil schoß alles empor,
was unten bei den Quellen gelagert hatte: die Träne und das Mit'
leid, die Hilfsbereitschaft und der singende Mund.
Villon suchte Zuflucht bei der ärmsten menschlichen Kreatur.
Er mußte „jemand um sich haben", der, noch geduckter unter
dem bösen Schicksal, den Glauben an eine ausgleichende Gc
rechtigkeit verloren hatte und das Leben verfluchte. Es mußte
einer da sein, an dem er sich mit der schönen Lüge aufrichten
konnte: sieh, hier ist einer, den das Leben noch tausendmal heftiger
peinigt!

In der Dichtung Villons kommt jede Nuance seines Lebens zu
ihrem Recht. Sein Zynismus war nur der maskierte Ausdruck
einer tiefen Schamhaftigkeit. Nie kann man bei ihm das Ungc
heuer als ein Grundprinzip zum Bösen erkennen. Auch nicht
als eine rhetorische Floskel angeschminkter Dämonie. Er hätte
jedes Sichaufspielen sofort unterbunden. Wenn er die Umwelt
seinem Willen unterjochte, verminderte er ihren Wirkungskreis

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