Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., TM 87/3765
Villon, François; Zech, Paul [Sonst.]
Die Balladen und lasterhaften Lieder des Herrn François Villon in deutscher Nachdichtung
Weimar, 1931
Seite: 46
(PDF, 24 MB)
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  (z. B.: IV, 145, xii)



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verhüllt und unbeschnitten in das Zentrum einer Begebenheit zu
heben. Nichts geschieht im menschlichen Himmel und auf der
menschlichen Erde, das man als „unpoetisch" beiseite stellen
könnte. An seiner letzten Formgebung beweist sich erst der Diclv
ter. Das hat in späterer Zeit selbst ein so vorsichtig formender
Dichtgeist wie Goethe aufgezeigt. Das zeigt uns, wenn auch
mehr aus der Perspektive des künstlerisch bewegten, und mu'
sisch umwehten Arztes, als aus der des unbedingten Gedicht'
künstlers, der Zeitgenosse Gottfried Benn. Auch bei Gottfried
Benn ist in vielfachem Maße die vom Blut bestimmte Erlebnis'
intensität Villons als Erbteil spürbar. Die stärkere Hirnlichkeit,
das nervösere Tempo ist durch die vierhundert Jahre Fortschritt
bedingt. Das Grunderlebnis aber hat die gleichen menschlichen
Erregungsspannungen, die Ironie und die eisklare Erkenntnis des
Maskeradentums im bürgerlichen Gesellschaftsdreh, mit Gott'
fried Benn gemein.

Was Benn aber, gewertet an seinem großen Vorgänger, abgeht,
ist die Verdichtung zum Einfachen, zur stählernen Zweckmäßig'
keit und zum Urlaut. Benn baut, unter völliger Ausschaltung
der gefühlsmäßigen Erregung, hirnlich kunstvoll präzisierte Vers'
maschinen. Villon verließ sich einzig und allein auf die explo'
sive Gewalt des erregten Blutes als Kraftquelle und Energielei'
stung. Benn komprimiert jeden Gedichtvorgang zu einer mc
dizinisch'mathematischen Schlußformel. Villon ordnete sein
Werk unauffällig in den Ablauf des täglichen Lebens ein. Er
legte ihm die Bedeutung von Brot, Trunk und Beischlaf bei. Er

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