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daß er mich nur der Gelder wegen nahm.
€J Wie hat er mich herumgeboxt und schikaniert
und jede Tollheit mit mir ausprobiert.
Gerochen hat er wie im Pferdestall
ein Haufen Mist. Und wenn ich ihm den Mund,
vor Ekel und in meiner Wut, ganz wund
gebissen habe, warf der grobe Hund
mich an die Wand wie einen Gummiball.
Jetzt hab ich selber kaum ein Brot, mich satt zu essen,
das werd ich ihm mein Lebtag nicht vergessen.
€] Er ist schon über dreißig Jahre tot
und ließ mich hier zurück in meiner Not,
mit meiner welken Haut im grauen Haar.
Wenn ich im Spiegel manchmal mein Gesicht
betrachte, denk ich oft: das bist du nicht!
Und doch ist dies Gesicht so sonnenklar
mein Ebenbild... Ich könnte mich zerreißen
und den verfluchten Spiegel kurz und klein zerschmeißen.
1] Von meiner Schönheit ist nicht eine Spur
mehr da, von meinen Brauen, wie der Sichelmond
so schön gewölbt, und von der Perlenschnur
der Zähne, von den Augen, glutbewohnt,
von meinen Lippen, feucht und feuerrot
wie die Korallen, die das Meer bespült,
von meinem Haar, das sich noch weicher fühlt
wie Seidenzeug aus dem Chinesenland.
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