http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/waldeyer1892/0013
In der Festschrift, welche vor zehn Jahren J. Henle zur Feier seines 50jährigen
Doctorates gewidmet wurde, hat der Jubilar, dem ich heute aus gleichem Anlasse diese
Abhandlung überreiche, unser allverehrter Albert v. Kölliker, einen sehr werthvollen
Beitrag zur Lehre von der Topographie der weiblichen Beckenorgane gegeben1. Um so
werthvoller, als darin die Lageverhältnisse dieser Organe in verschiedenen Lebensaltern,
vom neugeborenen Kinde an bis zum vierten Decennium hin, gebührende Berücksichtigung
gefunden haben, was bis dahin nur in sehr wenigen Arbeiten - - ich nenne die Abhandlungen
von Boullard2 und Hach3, und beide nur mit Einschränkung, geschehen war.
Ich benutze den seltenen Umstand, der auch Kölliker Veranlassung zu seiner Mittheilung
gab: die1 .Möglichkeit der genauen Untersuchung der Leiche einer jugendlichen,
völlig normal und wohlgebauten jungfräulichen Person - die Lage der inneren weiblichen
Beckenorgahe von neuem zur Sprache zu bringen; denn klar und im Reinen sind wir
über diese Lage noch bei weitem nicht, - - vgl. hierzu das Referat K. v. Bardeleben's 1
so dass ich wohl zur Rechtfertigung der Wahl meines Themas mich auf Köllik er's Ein-
gangsworie zu seiner angeführten Arbeit berufen darf: „Die Lage der weiblichen inneren
Sexualorgane, vor Allem des Uterus und der Ovarien, ist noch so wenig festgestellt, dass
jeder Beitrag zur Kenntniss derselben von Werth ist."
Ich wurde geradezu durch den Thätbestand meines Falles zu einer Vergleichung mit
dem Kölliker'sehen herausgefordert, denn in beiden Fällen handelte es sich um 17 jährige
kräftige und wohlgebaute, völlig gesunde Jungfrauen, welche ihren Tod im Wasser gesucht und
gefunden halten. Auch ich dachte zunächst, in Anbetracht des Selbstmordes eines jugendlichen
Weibes, einen Uterus der frühesten Zeit der Schwangerschaft zu finden. Da sich
aber ein unversehrter Hymen, ein enger Scheideneingang und kein frisches, deutlieh merkbares
corpus luteum ergab, so stand ich von der Eröffnung der Gebärmutter ab und
beschränkte mich auf eine genaue Untersuchung und Darstellung der La<>*e der Theile in
der Ansicht vom Bec&eneingange aus. so wie im Profilbilde. Die 'Profilpräparation wurde
von mir selbst erst nach völliger, wohlgelürigener Härtung des Beekens ausgeführt, um
bei derselben jeglicher irgendwie hennenswerthen Verschiebung der Theile aus dem Wege
zu gehen.
1 lieber die Lage der weiblichen inneren Geschlechtsorgane von A. Kölliker. Bonn, Cohen 1882.
-"Mit 3 Tafeln. (Separat gedruckte
'-' Boullard, Quelques mots sur L'uteras. These de Paris. 1852.
3 Hach,, Fr., Ueber Lage und Form der Gebärmutter. Iuaug.-Dissert. Dorpat 1877, 8.
1 v. Bardeleben, K.. Ueber die Lage der weiblichen Beckenorgane. Verhandl. cl. Anat. Gesellschaft
1- Versammlung 1888. Jena. 1888. G. Fischer.
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